SPD will nichts gegen "Heuschrecken" tun
Archivmeldung vom 07.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie vom designierten Vizekanzler Franz Müntefering erhobene Kritik an den destruktiven Praktiken ausländischer Beteiligungsgesellschaften bei deutschen Firmen ("Heuschrecken") soll keine praktischen Folgen für die Politik der Großen Koalition haben. Das bestätigten gegenüber dem Tagesspiegel Abgeordnete von Union und SPD, die an den Verhandlungen in den Koalitions-Arbeitsgruppen Finanzen und Wirtschaft beteiligt waren.
Dabei verzichtete die SPD mit ihrem finanzpolitischen Sprecher
Joachim Poß zum Erstaunen der CDU-Seite von vorneherein auf ein
zentrales Instrument, um das Wirken der so genannten
Private-Equitiy-Gesellschaften zu begrenzen: Die Wiedereinführung von
Steuern auf die Gewinne beim Verkauf von Unternehmensanteilen. Die
rot-grüne Bundesregierung hatte diese Erlöse ab dem Jahr 2001
steuerfrei gestellt, um den Großkonzernen die Auflösung ihrer
Überkreuz-Beteiligungen zu erleichtern. Doch zugleich machte erst
diese Steuerfreiheit den Kauf und späteren Wiederverkauf von
mittelständischen deutschen Unternehmen für viele jener
Finanzinvestoren interessant, die Müntefering für ihre
Rücksichtslosigkeit gegenüber den Arbeitnehmern angriff. Beim
erfolgreichen Armaturenhersteller Grohe zum Beispiel müssen mehr als
1000 Mitarbeiter gehen, weil die Investoren das Unternehmen mit
milliardenschweren Krediten belastet haben, um ihren Kaufpreis zu
finanzieren.
Wegen der unerwünschten Folgen und der Steuerausfälle hatte die
Union in ihrem Wahlprogramm denn auch die erneute Besteuerung der
Gewinne aus dem Wiederverkauf von Firmen gefordert. Doch die
SPD-Seite widersetzte sich jetzt dem Vorschlag, weil "dies als
Eingeständnis eines Fehlers gesehen würde", wie einer der beteiligten
Sozialdemokraten gestand. "Das ist schon ein wenig verkehrte Welt",
wunderte sich dagegen der CDU-Abgeordnete Leo Dautzenberg, der
gemeinsam mit Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner die
Konservativen in der AG Finanzen vertritt. Die Union wolle
Konsequenzen aus einer Fehlentwicklung ziehen und die
kapitalismuskritische SPD stelle sich dem entgegen. Dautzenberg
kündigte aber an, dass die Frage im Rahmen der für 2008 geplanten
Reform der Unternehmensbesteuerung wieder auf die Tagesordnung komme.
Schließlich sei verabredet, dass ab 2008 auch die privaten Gewinne
aus Aktienverkäufen besteuert werden sollen. Wenn der Verkauf von
Unternehmensbeteiligungen durch Fondsgesellschaften oder Konzerne
dann noch immer steuerfrei bleiben solle, müsse das "dann die SPD
gegenüber den Wählern vertreten."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel