Nach Wahlniederlage: Grünen-Fraktionschef Trittin gibt Amt ab
Archivmeldung vom 24.09.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, will sein Amt nach der Niederlage bei der Bundestagswahl abgeben. Er werde für die Fraktionsspitze "nicht wieder antreten", wie Trittin am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte.
Er war seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Grünen. Vor Trittin hatte bereits die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth, angekündigt, ihr Amt als Grünen-Vorsitzende aufzugeben. "Ich werde bei der Neuwahl des Bundesvorstands nicht mehr antreten", sagte Roth am Dienstag in Berlin. "Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Neuausrichtung."
Neben Trittin und Roth hatte auch die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bekanntgegeben, sich von ihrem Amt zurückziehen zu wollen. Im Herbst sollen auf einem Bundesparteitag der Grünen der Bundesvorstand und der Parteirat neu gewählt werden.
Zeitung: Grünen-Realos wollen Trittin stürzen
Die Vertreter des Realo-Flügels der Grünen sind laut einem Zeitungsbericht fest entschlossen, Jürgen Trittin nicht länger im Amt des Fraktionsvorsitzenden zu dulden. Das sei das Ergebnis des Realo-Treffens vom Montag: "Wenn Trittin schlau ist, zieht er von sich aus zurück", sagte ein Teilnehmer dem "Handelsblatt" (Mittwochausgabe).
Es wird nicht ausgeschlossen, dass Trittin seinen Rückzug bereits am Dienstagmittag vor dem Treffen der neuen Fraktion verkündet. Als möglicher Nachfolger an der Fraktionsspitze für den linken Flügel gilt Anton Hofreiter, der bisherige Vorsitzende des Verkehrsausschusses, heißt es in dem Bericht weiter.
Nach Wahlniederlage: Fischer und Bütikofer kritisieren Grünen-Spitze
Nach der Wahlniederlage kritisieren mit Joschka Fischer und Reinhard Bütikofer nun auch ehemalige Spitzenleute der Grünen die amtierende Führung der Partei. Der langjährige Außenminister Joschka Fischer sagte dem "Spiegel": "Es scheint fast, als ob die derzeitige Führung der Grünen älter geworden ist, aber immer noch nicht erwachsen. Sie hat eine Strategie verfolgt, die nicht nur keine neuen Wähler gewann, sondern viele alte vergraulte. Statt über Umwelt und Europa, Bildung und Familien haben wir nur über Steuern und Abgaben geredet." Fischer nannte es einen "fatalen Fehler", die Grünen "strategisch auf einen Linkskurs zu verringern". Damit sei die Partei "in der Konkurrenz zu SPD und Linken gnadenlos untergegangen".
Der ehemalige Parteichef Reinhard Bütikofer warf Spitzenkandidat Jürgen Trittin vor, in der Europapolitik strategisch versagt zu haben. "Der Verzicht von Rot wie Grün auf ein ernsthaftes Ringen mit Kanzlerin Merkel um die Deutungshoheit in der Europapolitik erlaubte ihr eine politische Hegemonie", so Bütikofer im "Spiegel". Diese sei später "nicht mehr zu erschüttern" gewesen.
Bütikofer warf Trittin vor, er sei zumeist aufgetreten, "als spräche er nur für unseren linken Flügel". Dabei hätte er "als Spitzenkandidat über ein starkes Mandat der ganzen Partei verfügt, nicht zuletzt der Realos, und ein breit getragenes Wahlprogramm."
Habeck fordert nach Wahlniederlage radikalen Neuanfang bei den Grünen
Der schleswig-holsteinische Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) fordert nach dem Debakel bei der Bundestagswahl einen radikalen Neuanfang bei den Grünen und rechnet scharf mit der Strategie der Bundesspitze ab. "Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt", sagte er dem "Spiegel". "Wir haben uns ein Vorschreiber-Image erworben, etwas Spießbürgerliches, das wir nie sein wollten."
Die Grünen seien eine "etatistische Partei" geworden, durch deren Wahlprogramm sich "die moralische Erziehung des Menschengeschlechts" ziehe. So hätten die Grünen "jeden Zauber eingebüßt". Habeck forderte eine "Aufarbeitung und einen Neuanfang", der auch Personalfragen einschließe.
Indirekt sprach er sich für eine Ablösung von Fraktionschef Jürgen Trittin aus: Die nächste Bundestagsfraktion müsse sich entscheiden, ob der "scharfe Konfrontationskurs" unter Trittin richtig gewesen sei. "Wenn der nicht fortgesetzt werden soll, stellt sich die Personalfrage."
Quelle: dts Nachrichtenagentur