Elektronische Gesundheitskarte: Schikane für Patienten und Ärzte ab Januar
Archivmeldung vom 31.12.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf massiven Druck des Bundesgesundheitsministeriums wurde der 1. Januar 2015 zum Tag X der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ausgerufen: Ab dann sollen Ärzte ihre Patienten nur noch gegen Vorlage dieser neuen Karte auf Kassenkosten behandeln. Und wer keine eGK besitzt, soll das spüren: Trotz bezahlter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bekommen "eGK-Verweigerer" eine Privatrechnung. Bei Arzneimitteln, Krankengymnastik und Hilfsmitteln müssen sie in diesem Fall zudem in Vorkasse gehen. "Datenschutzkritische Bürger sollen zur Strafe also extra zahlen", sagte die Sprecherin der Aktion "Stoppt die e-Card", Dr. Silke Lüder, heute in Hamburg. Derzeit besitzen geschätzt fünf Prozent der Versicherten noch keine eGK - das sind mehrere Millionen Bürger.
Auch für die Ärzte ist diese neue Regelung eine Zumutung. "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, ab Januar Patienten, die mit ihrer bisherigen, noch gültigen Krankenversicherungskarte zu uns kommen, entweder nach Hause zu schicken oder ihnen eine Rechnung zu stellen", kritisierte die Allgemeinärztin. "Wie verantwortungslos und unsozial ist das? Es gibt viele Patienten, die sich eine Privatrechnung oder Vorkasse nicht leisten können. Haftet Minister Gröhe für die gesundheitlichen Folgeschäden? Es ist unglaublich unverschämt, dass wir Ärzte unsere Patienten nicht mehr problemlos behandeln dürfen. Und es ist peinlich für das Pleitenprojekt eGK, dass es nach zehnjähriger Planungsphase nun mit Zwang gegen Bürger und Ärzte durchgesetzt werden muss."
Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung setzen Ärzte unter Druck: Entweder könnten sie ohne eGK ihre Leistungen eben nicht abrechnen oder sie müssten eine Privatrechnung erstellen, heißt es aus diesen Kreisen. "Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit", erläuterte Lüder. "Legt der Patient beim Arztbesuch oder nachträglich einen Versicherungsnachweis auf Papier vor, dann kann er auf Kassenkosten behandelt werden - das hat die Bundesregierung kürzlich bestätigt." Eine bereits ausgestellte Privatrechnung müsse der Arzt dann allerdings mit großem bürokratischen Aufwand wieder zurückzahlen.
Auch den Patienten wird dieses sogenannte Ersatzverfahren so schwer wie möglich gemacht: "Nach unserer Erfahrung stellen viele Kassen jetzt schon Bürgern ohne eGK, die bei ihnen als "Verweigerer" geführt werden, nur noch Versicherungsnachweise für einen Tag aus. Eine unglaubliche Schikane", empört sich Gabi Thiess, Patientensprecherin der Bürgerinitiative. "Ich kann jeden kritischen Versicherten nur auffordern, ab dem 1. Januar von seiner Kasse einen Nachweis für ein ganzes Quartal zu verlangen. Das erhält man bei jeder anderen Versicherung auch."
Dass es bei dem eGK-Projekt gar nicht um die kleine Karte an sich geht, machte Kai-Uwe Steffens, Informatiker und Sprecher des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in der Aktion "Stoppt die e-Card", noch einmal deutlich. "Die eGK ist der Schlüssel für die digitale Speicherung aller Patientendaten außerhalb der jetzigen Speicherorte in Kliniken und Praxen. Es geht darum, die Verfügung über alle Daten hier faktisch in die Hände von Krankenkassen und Gesundheitsindustrie zu legen." Ausführende Organe seien private Providerfirmen und niemand könne diese Daten auf Dauer zu schützen. Steffens: "Die ärztliche Schweigepflicht wäre dann Geschichte."
Über die Aktion "Stoppt die e-Card"
"Stoppt die e-Card" ist ein breites Bündnis von 54 Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern, Patienten- und Ärzteverbänden. Unter anderem gehören dazu: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Chaos Computer Club, IPPNW, Freie Ärzteschaft e. V., NAV-Virchowbund, Deutsche AIDS-Hilfe. Das Bündnis lehnt die eGK ab und fordert, das milliardenschwere Projekt einzustampfen.
Quelle: Aktion "Stoppt die e-Card" (ots)