Künast: Große Koalition lebt in Zerrüttung mit öffentlicher Beschimpfung
Archivmeldung vom 17.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwischen den Anführern der großen Koalition rund um Angela Merkel (CDU) und Kurt Beck (SPD) gehe es mittlerweile zu "wie im Scheidungsstreit zwischen Heather Mills und Paul McCartney".
Für die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, die
gelernte Rechtsanwältin ist, komme das "einem offen zu Tage liegenden
Zustand der Zerrüttung mit öffentlicher Beschimpfung gleich", sagte
sie in einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung". Nach dem Rückzug von Franz Müntefering und der
Weigerung von Kurt Beck, ins Berliner Kabinett einzutreten,
verschärfe sich die Situation zwangsläufig: "Die sind fertig
miteinander, offen ist nur noch, wer jetzt auch offiziell den
Scheidungsantrag einreicht".
Ihre eigene Partei sieht Künast zwei Jahre nach dem Machtverlust
von Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer inzwischen
"besser aufgestellt als damals". Die Grünen machten klar, "dass es
nicht genügt, sich in einem roten Anorak vor einen sterbenden
Gletscher zu stellen, wie Frau Merkel". Notwendig sei "eine grüne
Modernisierung mit einer praktischen Änderung von
Lebensgewohnheiten". Die CDU-Kanzlerin "begnügt sich mit einer
Scheinpolitik: Sie will heute den ökologischen Fußabdruck für das
Jahr 2050 hinterlassen, sagt aber nicht, wie es dazu kommen soll".
Aber immerhin habe sie das Klimathema besetzt, "während Gerhard
Schröder, der Mann mit dem traditionellen Industrieblick, es nicht
verstanden hat". Schließlich habe der im Mai 2005 erklärt, Rot-Grün
passe nicht in die Zeit. "Das war einer seiner größten Irrtümer."
Zur Frage der richtigen Spitzenkandidaten der Grünen im ersten
Bundestagswahlkampf 2009 ohne "Rampensau Joschka Fischer" stellte
Künast fest: "Keiner von uns kann und will Joschka nachahmen. Das
sollten wir als Chance nutzen: Die Zukunft der grünen
Führungsstruktur liegt in der überzeugenden Teambildung." Die Partei
müsse bis 2009 ein Führungsteam finden, "bei dem alle das Gefühl
haben können, die arbeiten wirklich zum Wohl des Vereins
miteinander". Aus einer solchen Basis heraus "kann dann die richtige
Kühlerfigur im Jahr 2009 gekürt werden". Künast gilt, neben Jürgen
Trittin, als denkbarste Grünen-Spitzenkandidatin.
Für Künast steht, mit Blick auf die nächste Bundestagswahl, fest,
"dass es für das grüne Herz und die grüne Seele jede Menge kulturelle
und einige inhaltliche Gründe für eine Fortsetzung rot-grüner
Regierungspraxis, wahrscheinlich unter Einschluss eines dritten
Partners, gibt". Aber die SPD mache es den Grünen "verdammt schwer",
rot-grüne Nostalgie zu entwickeln. Künast zeigte sich "fassungslos",
dass die SPD mit Sigmar Gabriel den einzigen SPD-Politiker, der es im
Umweltdialog mit Merkel aufnehmen könne, gerade innerparteilich
abgemeiert habe. Und Parteichef Kurt Beck, "der rückwärts gerichtet
wirkt", habe sich auf eine Reform des Arbeitslosengeldes I gestürzt,
"während die wirkliche Not doch bei denen liegt, die Arbeitslosengeld
II beziehen". Trotzdem liege natürlich eine Regierungskooperation mit
der SPD "gerade beim Blick auf den Zustand der Union sehr nahe". Aber
die Grünen hätten verstanden, "sich der SPD als einzig möglichem
Partner nicht mehr auf Gedeih und Verderb auszuliefern", meinte
Künast. "Regierungsgespräche mit der Union dürfen nicht aus
irgendwelchen Lagergedanken heraus abgelehnt werden." Für die Grünen
ginge es "ganz pragmatisch in eine solchen Fall nur darum: Was
kriegen wir politisch dafür?".
Scharfe Kritik richtete die Politikerin in diesem Zusammenhang an den obersten Protagonisten einer schwarz-grün-gelben "Jamaika"-Koalition, dem Berliner Oppositionsführer und CDU-Präsidiumsmitglied Friedbert Pflüger. "Mit dem geht ,Jamaika' nicht. Mit dem kann man Oppositionspolitik in Berlin betreiben, um ein bisschen Feuer in die Stadt-Politik zu bringen. Mehr nicht." Künast begründete dieses Urteil mit der Tatsache, dass Pflüger "Flugblätter für die Offenhaltung des Stadtflughafens Tempelhof verteilt und damit für das Sinnbild einer falschen und alten Politik steht".
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung