BdV-Vize: Jetzt ist Merkel in der Pflicht
Archivmeldung vom 05.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Vizepräsident des Bundesverbandes der Vertriebenen (BdV), Albrecht Schläger (SPD), sieht nach dem Kompromissvorschlag zur Besetzung des Stiftungsrates "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Pflicht.
Der Präsidiumsbeschluss des BdV eröffne der Kanzlerin nun "die wunderbare Chance, mit dem Bundesaußenminister auf der Grundlage des Vorschlags ins Reine zu kommen. Wird unser Vorschlag angenommen, ist die Kuh vom Eis", sagte der bayerische SPD-Politiker den Lübecker Nachrichten (Mittwoch).
Er empfahl zugleich der SPD-Fraktion im Bundestag einer entsprechenden Änderung des Stiftungsgesetzes zuzustimmen, wonach der BdV drei zusätzliche Sitze im Stiftungsrat bekommen soll. Auf kritische Äußerungen in Polen angesprochen, meinte Schläger, die Kaczynskis würden "immer Zeter und Mordio schreien, egal, was wir tun". Davon solle man sich nicht beeindrucken lassen. Außenminister Westerwelle müsse sich überlegen, ob er deutscher oder polnischer Außenminister sei, sagte der SPD-Politiker.
Thierse nennt Steinbach-Vorstoß "erpresserischen Versuch"
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat das Angebot von Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach, unter bestimmten Bedingungen auf einen Posten im Beirat der Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu verzichten, in scharfer Form kritisiert. Dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe) sagte Thierse: "Die Forderungen von Frau Steinbach sind der erpresserische Versuch, das Anliegen der Stiftung in ihrem Sinne zu verändern." Sinn des Projektes sei das Gedenken an die Leiden und Opfer von Flucht und Vertreibungen und die Versöhnung mit den osteuropäischen Nachbarn, sagte Thierse. Dieses Anliegen würde zerstört, wenn sich CDU/CSU und FDP auf Steinbachs Bedingungen einließen. ,Politisch sinnvoll ist die Stiftung, Flucht, Vertreibung, Versöhnung' nur als Versöhnungsprojekt." Thierse rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu auf, "dieses Versöhnungsanliegen aktiv gegen Frau Steinbach zu verteidigen, gerade auch im Verhältnis zu unseren polnischen Nachbarn."
Grüne bezeichnen Steinbach-Vorschlag zum Stiftungsrat als "bodenlose Unverschämtheit"
Die Grünen haben den neuen Vorschlag von Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach zum Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung als "absolut inakzeptabel" zurückgewiesen. "Das ist keine goldene Brücke, das ist eine bodenlose Unverschämtheit", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Erika Steinbach wolle damit dem Bundestag eine Gesetzesnovelle unterschieben, nach der die Bundesregierung nicht mehr beeinflussen solle, wer das deutsche Volk im Bemühen um Verständigung und Versöhnung repräsentiere. "Durch die Hintertür könnte so auch Frau Steinbach selbst in ein oder zwei Jahren im Stiftungsrat sitzen", kritisierte Künast. Seinbach habe schon verhindert, dass es eine europäische Stiftung gebe, nun wolle sie auch noch eine nationale Stiftung so verändern, dass der Bund zwar mehr Steuergelder geben solle, aber nicht mehr mitentscheiden dürfe. "Angela Merkel muss jetzt endlich ein klares Wort sagen, und das kann nur ,Nein, so nicht', heißen", forderte Künast. Die Bundeskanzlerin dürfe sich "vom Bund der Vertriebenen und Frau Steinbach nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen".
Gröhe: Steinbachs Vorschlag konstruktiv
Nach der CSU erhöht auch die CDU den Druck auf die FDP, den Kompromissvorschlag von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach aufzugreifen. Der Vorschlag der Vertriebenen für die Besetzung des Rates der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" sei 'konstruktiv', sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der WAZ-Mediengruppe (Mittwochausgabe). Er müsse jetzt von allen Beteiligten "mit der gebotenen Aufgeschlossenheit und Fairness geprüft werden", forderte der CDU-Politiker. Er sei zuversichtlich, am Ende gelte die Weisheit, "wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", so Gröhe weiter.
Gesine Schwan übt scharfe Kritik an Vertriebenen-Präsidentin Steinbach
Die ehemalige Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Gesine Schwan, hat scharfe Kritik an Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach geübt. "Keine der Bedingungen, die Frau Steinbach stellt, ist unter dem Aspekt der deutsch-polnischen Versöhnung legitim", sagte Schwan der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwochausgabe).
Es sei nicht einzusehen, warum der Bund der Vertriebenen für einen Verzicht Steinbachs auf einen Sitz im Stiftungsrat "einen noch größeren Einfluss erhalten soll. Ohnehin ist die Repräsentativität des Bundes für die Vertriebenen völlig im Unklaren", erklärte die SPD-Politikerin und ehemalige Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten. Die Errichtung der Stiftung und die Besetzung des Stiftungsrates seien ein lang ausgearbeiteter, politischer Kompromiss gewesen. Anders als die deutsche Regierung habe die polnische Seite nach dem Regierungswechsel sehr schnell alle Personen aus den politisch wichtigen Positionen der Stiftung herausgenommen, "die die andere Seite provozieren". Halte sich die deutsche Seite nicht an die damaligen Abmachungen, "dann wird ein erheblicher, politischer Schaden entstehen", warnte Schwan.
Steinbach schade mit ihrem Verhalten dem Sinn der Stiftung insgesamt, betonte die SPD-Politikerin. Mit Blick auf Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und seiner Ankündigung, das Angebot nun prüfen zu wollen, sagte Schwan: "Das ist seine Aufgabe. Mein Eindruck ist, dass Minister Westerwelle den deutsch-polnischen Beziehungen eine sehr hohe Priorität einräumt."
Quelle: Lübecker Nachrichten / Der Tagesspiegel / Rheinische Post / Westdeutsche Allgemeine Zeitung / Saarbrücker Zeitung