Lindner rügt Verhalten mancher Menschen in der Corona-Krise
Archivmeldung vom 17.03.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDer FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner hat das Verhalten mancher Menschen in der Corona-Krise scharf kritisiert, die Menschenmengen auch jetzt nicht meiden. Ein solches Verhalten sei "unverantwortlich, unreif und schlicht absurd", sagte Lindner der "Welt" mit Blick auf Menschen, die sich etwa weiterhin in Schlangen vor Eisdielen stellen oder Partys besuchen.
Ein Leben in Freiheit funktioniere "generell nur, wenn man Rücksicht nimmt und verantwortlich handelt". Wer seine Freiheit in dieser Weise auslebe, "der beschädigt ihren Wert geradezu", so der FDP-Chef weiter. Das rufe nämlich diejenigen auf den Plan, die auch in normalen Zeiten alles mit Verboten und Gesetzesbefehl regeln wollten. "In der Krise kommt die Freiheit schnell unter die Räder. Wenn man nicht aufpasst, dauerhaft", warnte Lindner.
Zum Krisen-Management der Bundesregierung sagte Lindner: "In der Lage verteilt man keine Zensuren." Er gab zwar zu bedenken, dass jede Einschränkung der Freiheit verhältnismäßig sein müsse. Aber: "Die Eindämmung einer Pandemie ist nun ein Fall, der das strikte Runterfahren des Landes nötig macht", so der FDP-Politiker weiter.
Auf ihn wirke "in der Krise die Entschlossenheit einer Regierung eher beruhigend". Die Handlungsfähigkeit örtlicher Behörden dagegen werfe "Fragen auf". Als mögliches Vorbild für Deutschland nannte Lindner den Kurs von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): "Ich halte ausgerechnet eine Pandemie nicht für einen guten Anlass, um föderalen Wettbewerb und Länderautonomie zu loben. Österreich hat da andere Regelungen, die wir uns ansehen müssen."
Man werde "diskutieren müssen, ob die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Bestimmungen für die Bewältigung einer Krise dieses Ausmaßes geeignet sind".
Mit Blick auf die Stabilisierung der Wirtschaft sagte der FDP-Chef: "Vom Solo-Selbständigen, dem freien Kulturschaffenden über die Gaststätte und den Handwerksbetrieb bis zum Industrieunternehmen wird Geld knapp. Um jeden Preis muss eine Pleitewelle eigentlich gesunder Betriebe verhindert werden." Deshalb hätten Liquiditätshilfen jetzt Priorität.
Er schlage vor: "Statt Steuervorauszahlungen einzuziehen, sollten die Finanzämter im Gegenteil jetzt Geld überweisen. Als eine Art negative Gewinnsteuer, wenn der Umsatz wegbricht", so Lindner. Mit der späteren Steuererklärung könne das dann genau abgerechnet werden, jetzt gehe es um Tempo. Später würden Bürgschaften und Kreditprogramme nötig, mittelfristig auch Sonderabschreibungen für private Investitionen, ein Investitionsprogramm und Steuersenkungen.
Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sei jetzt "dringlich", aber im Grunde müssten "die Tarife von Einkommen- und Körperschaftsteuer auf den Prüfstand".
Deutschland solle zudem "unkonventionelle Maßnahmen" erwägen: "Zur Stabilisierung wäre möglich, dass es eine Art rückwirkende Steuersenkung gibt, indem Verluste des Jahres 2020 mit dem zu versteuernden Gewinn der letzten Jahre 2018 und 2019 verrechnet werden", so der FDP-Chef weiter. Er sieht zugleich die Möglichkeit, dass Deutschland gestärkt aus der Corona-Krise hervorgeht. So sehe man jetzt, "welchen Beitrag Menschen für das Funktionieren der Gesellschaft leisten, die oft zu Recht über mangelnden Respekt geklagt haben". Das gelte von Heilberufen und Pflegekräften über die Polizei bis zu der Dame an der Kasse im Supermarkt. "Die Krise wird vieles verändern, manches davon können wir ins Gute wenden", sagte Lindner der "Welt". In der Krise sei "eine Chance. Es gibt Verantwortungsgefühl jenseits des Staates." Man rücke zusammen. "Wir werden innovativ. Davon sollten wir möglichst viel in die Zeit danach mitnehmen", so der FDP-Politiker.
Quelle: dts Nachrichtenagentur