Claudia Roth: "Ich hatte Angst, ich schaff das nicht mehr, ich löse mich auf"
Archivmeldung vom 09.04.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.04.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserBundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hat erstmals offen von dem Druck und den Ängsten gesprochen, denen sie in ihren insgesamt zwölf Jahren als Parteivorsitzende der Grünen ausgesetzt war. In einem Gespräch mit dem Hamburger Magazin stern sagte die 58-Jährige, sie habe manchmal Angst gehabt, "etwas nicht zu wissen oder bei einem Fehler als schwach zu gelten. Angst vor den Journalisten, die mich Montag für Montag rund um die Parteivorstandssitzungen ins Kreuzverhör nahmen. Ich hatte nicht immer auf jede Frage eine Antwort".
Ihre Zeit als Grünen-Chefin beschreibt Roth als "ein Leben auf der Überholspur, die ganze Zeit auf Speed, immer im Kampf mit dem politischen Gegner, ständig online, in jeder Nacht das Handy neben deinem Kopfkissen. Immer war der Gedanke da: Ich muss alles wissen, wirklich alles. Ich muss reaktionsfähig sein".
Roth schildert im stern auch den "schwersten Moment" ihres Lebens, als sie mitten im Bundestagswahlkampf 2013 die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten habe. Nur widerwillig sei sie bereits einen Tag nach der Beerdigung wieder auf Wahlkampftour gegangen. "Ich habe das alles einfach nicht mehr zusammen gekriegt. Ich habe mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich, ich habe ja nicht mal Zeit zu trauern?" Erst Monate später sei die Trauer gekommen, "sie hat mich überwältigt. Plötzlich spürte ich, dass mir die Kraft ausgeht". Eine "unendliche Einsamkeit" sei über sie gekommen, sagt Roth. "Ich hatte Angst davor, durch den Druck weiter funktionieren zu müssen, mich allmählich aufzulösen".
In dem stern-Gespräch räumt Roth ein, dass ihre Entscheidung, unmittelbar nach der Bundestagswahl im September 2013 vom Vorsitz der Grünen zurückzutreten, auch mit dieser schwierigen Lebensphase zu tun hatte. "Ich dachte, die Grünen brauchen jetzt einen Neuanfang - aber ich auch. Für mich!"
Quelle: Gruner+Jahr, stern (ots)