Reform ohne Gewinner - Auch Zeitarbeitnehmer fürchten negative Effekte der Überlassungshöchstdauer
Archivmeldung vom 04.12.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Eiltempo treibt die Große Koalition ihre arbeitsmarktpolitische Agenda voran. Nach den Gesetzen zu Mindestlohn und Rente mit 63 plant die Regierung zwei Reformen in der Zeitarbeit: Equal Pay soll per Gesetz verfügt und der Einsatz der Zeitarbeitnehmer auf 18 Monate beschränkt werden. Wirtschaftsverbände und Wissenschaft warnen bereits seit Monaten eindringlich davor, dass die Reformpläne die Konjunktur empfindlich treffen könnten. Nun äußern sich auch die Arbeitnehmer kritisch. Laut einer Befragung der Orizon GmbH erwarten die meisten Zeitarbeitnehmer für sich persönlich negative Konsequenzen, sollte die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt werden.
Über drei Viertel der Zeitarbeitnehmer (78,7 Prozent) fürchten, dass durch die Begrenzung der Überlassungsdauer auf 18 Monate ihr Arbeitsverhältnis beendet werden könnte. Zu diesem Ergebnis kommt die Orizon Befragung, an der sich über eintausend Zeitarbeitnehmer beteiligt haben. Auch die Chance auf Übernahme durch das Einsatzunternehmen wird gesehen, allerdings wesentlich geringer eingeschätzt: Nur 43,6 Prozent der Befragten sehen eine höhere Chance auf eine direkte Anstellung beim Einsatzunternehmen. Zudem erwarten 62,6 Prozent der Befragten finanzielle Nachteile durch die Reform. Eine durchaus realistische Einschätzung meint Dr. Dieter Traub, Geschäftsführer der Orizon GmbH: "In der Metall- und Elektroindustrie haben wir bereits eine Überlassungshöchstdauer von zwei Jahren. Die Zeitarbeitnehmer werden dadurch aber keineswegs automatisch übernommen. Sicher ist hingegen, dass viele Zeitarbeitnehmer durch den künstlich herbeigeführten Wechsel des Einsatzbetriebes Branchenzuschläge verlieren und weniger Geld in der Tasche haben werden."
Arbeitgeber an der Belastungsgrenze
Die finanziellen Belastungen durch tariflichen Mindestlohn und Branchentarifzuschläge sind hoch, werden von den meisten Einsatzunternehmen aber billigend in Kauf genommen. "Flexible und gute Arbeit ist den Unternehmen einen guten Lohn wert", erklärt Traub. Darüber hinaus entstehen durch die Regelungen auch erhebliche indirekte Kosten. "Die komplizierten Zuschlagsregelungen sorgen für einen großen buchhalterischen Aufwand. Die Löhne können nur noch mit spezieller IT-Unterstützung ermittelt werden", so Dr. Traub. "In Folge der angedachten Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten müssten Personal- und Kundenunternehmen häufiger neues Personal für einen Einsatz finden und mehr Zeit auf die Einarbeitung verwenden."
Letzte Brücke für Geringqualifizierte
Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in einer hervorragenden Verfassung. Bei einer Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent (Stand November 2014) scheint selbst die Vollbeschäftigung nicht mehr unerreichbar. Sorgen bereiten einzig Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose, wie etwa der Bericht "Arbeitsmarktsituation von langzeitarbeitslosen Menschen" der Bundesagentur für Arbeit verdeutlicht. Gerade für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte ist Zeitarbeit aber die beste Chance auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die aktuelle Studie "Einstieg in Arbeit - die Rolle der Arbeitsmarktregulierung" des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) untermauert diese These mit deutlichen Zahlen: Ein Viertel der Geringqualifizierten, die zwischen 2005 und 2012 einen Job gefunden haben, schaffte den Einstieg über die Zeitarbeit. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von 1,8 auf 1,1 Millionen. Auch hier hat die Zeitarbeit einen enorm wichtigen Beitrag geleistet. Eine zusätzliche Regulierung würde diesen beiden Gruppen besonders hart treffen.
Hintergrundinfos zur Befragung: Die Orizon GmbH gibt regelmäßig den eigenen Zeitarbeitnehmern die Gelegenheit sich in einer Online-Befragung über die eigene Beschäftigungssituation und die Zeitarbeit allgemein zu äußern. Dieses Jahr haben 1.042 Zeitarbeitnehmer an der Befragung teilgenommen, die vom unabhängigen Marktforschungs- und Analyseunternehmen Lünendonk GmbH durchgeführt wurde. Die Befragung ist eine Ergänzung zur bevölkerungsrepräsentativen Orizon Arbeitsmarktstudie, in der jährlich über zweitausend Arbeitnehmer und Arbeitsuchende in Deutschland zu Arbeitsmarktthemen befragt werden.
Quelle: Orizon GmbH (ots)