Wenn der Nachbar für den Fiskus spitzelt
Archivmeldung vom 25.06.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakDer Staat will die Bürger dazu ermuntern, Steuersünder anonym im Netz anzuschwärzen. Das wäre der Weg in den Abgrund, warnt Deutschlands ranghöchster Datenschützer.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat die Pläne von
Finanzbehörden, anonyme Anzeigen gegen mögliche Steuersünder per
Internet zu ermöglichen, scharf kritisiert. „Das ist der Weg in die
Spitzelgesellschaft“, sagte Schaar der „Berliner Zeitung“ vom Mittwoch.
„Ein solcher Schritt hat eine neue Qualität.“ Da jeder Bürger
steuerpflichtig sei, könne somit auch jeder angezeigt werden„Selbst die
Finanzbehörden schließen nicht aus, dass ein Nachbar den anderen
anschwärzt“, warnte Schaar. Mit der anonymen Anzeigemöglichkeit würde
die aus gutem Grund bestehende Vorschrift ausgehebelt, wonach
ungerechtfertigte Verdächtigungen strafrechtlich verfolgt werden können.
Kommt eine Kettenreaktion in Gang?
Der
Bundesdatenschutzbeauftragte warnte auch davor, dass einem solchen
Schritt im Bereich Steuern und Finanzen „andere Bereiche folgen“
könnten. So sei vorstellbar, dass später genauso auch gegen
Verkehrssünder oder Schwarzarbeiter vorgegangen werde. „Es würde sich
ein Netz des Misstrauens über die Gesellschaft stülpen, in der niemand
mehr dem anderen vertrauen kann“, sagte Schaar.
Hintergrund der
Kritik sind Pläne mehrerer Landesfinanzbehörden, bei Steuervergehen
anonyme Anzeigen per Internet zu ermöglichen. Berlin wolle sich an dem
Projekt beteiligen, sagte ein Sprecher des Berliner Finanzsenats der
„Berliner Zeitung“. Auch das Brandenburger Finanzministerium begrüße
das Vorhaben grundsätzlich, sagte ein Sprecher. Allerdings seien noch
keine konkreten Schritte unternommen worden.
Ziel der Finanzbehörden ist es, Internetportale aufzubauen, bei denen
es möglich ist, verschlüsselt Hinweise auf Steuersünder zu geben. Der
Tippgeber kann dabei nicht identifiziert werden. Baden-Württemberg
lehnt das Vorhaben laut „Berliner Zeitung“ ab, da es schon heute
Probleme mit anonymen Hinweisen gebe, bei denen Anschwärzereien oder
Rache nicht auszuschließen seien.