CDU-Aufklärer Binninger zur NSU-Mordserie: "Dass es nur die drei waren, kann ich mir nicht vorstellen"
Archivmeldung vom 04.12.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittClemens Binninger, Ex-Obmann der Union im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages und Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), zweifelt an der allgemeinen Vorstellung, dass nur drei Personen - Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe - für die rechtsradikale Mordserie verantwortlich sein sollen. "Vieles spricht gegen diese Annahme", sagte Binninger dem stern. Zwar gäbe es bislang keinen "direkten Link" zu Mittätern. "Aber 2000 und 2001 gab es in elf Monaten vier Morde, zwei Banküberfälle und einen Sprengstoffanschlag, obgleich nach dem Trio öffentlich gefahndet wurde, es unter hohem Entdeckungsrisiko stand und auch zwei mal umgezogen ist. Dass es nur die drei waren, kann ich mir nicht vorstellen."
Die bisherige Ermittlungsarbeit der Behörden sieht Binninger kritisch. "Ich komme ins Grübeln, wenn ich sehe, dass manche Spuren, etwa Handyverbindungen zu Zschäpe, doch eher nachrangig bewertet wurden", sagte er dem stern. Auch der plötzliche Tod des V-Mannes "Corelli" sei nicht hinreichend aufgeklärt. Zur Vernichtung von Akten bei den Sicherheitsbehörden sagte Binninger, der NSU-Ausschuss habe angenommen, dass die Ursache eine Mischung aus fehlender Sensibilität und Ungeschicklichkeit gewesen sei. "Aber ich weiß heute nicht mehr, ob es das wirklich trifft. Die Schredderaktion trägt ein großes Fragezeichen." Er werde sich im PKG erneut damit auseinandersetzen.
Binninger stellte in dem stern-Interview in Aussicht, dass der Bundestag einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss einsetzen könnte. "Wenn sich bei tragenden Elementen des Falles die Indizien häufen, dass es so wie dargestellt nicht war, dann steigen wir nochmal ein. Dann sind wir in der Pflicht." Darüber sei er sich mit den NSU-Experten der anderen Fraktionen einig.
Tagesspiegel: NSU-Terrorprozess könnte noch länger als ein Jahr dauern
Das Oberlandesgericht München stellt sich darauf ein, dass der NSU-Prozess noch mehr als ein Jahr dauern könnte. Der 6. Strafsenat unter Vorsitz von Manfred Götzl hat jetzt den Verfahrensbeteiligten einen Terminplan mit Verhandlungstagen bis zum 12. Januar 2016 geschickt. Die tatsächliche Dauer ist allerdings nicht vorhersehbar.
Quelle: Gruner+Jahr, stern -Tagesspiegel (ots)