Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio warnt vor Lockerung des Sterbehilfe-Verbots
Archivmeldung vom 03.09.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio warnt vor den Folgen einer Lockerung des Sterbehilfe-Verbots. "Wir müssen die gesellschaftliche Signalwirkung ins Auge fassen, die von solch einem Schritt ausginge", sagte der Bonner Staatsrechtler dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"In einer Gesellschaft, die - gar nicht abwertend, sondern beobachtend gemeint - zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche neigt, rate ich zu größter Vorsicht, was eine Lockerung des Sterbehilfe-Verbots betrifft." So könne schnell ein Druck entstehen, "den unsere Verfassungsordnung nicht will: der Druck, das eigene Leben zu beenden, um anderen nicht zur Last zu fallen", erklärte der Jurist. Eine Gesellschaft, "die ihre Hand zur Selbsttötung reicht, verändert den Umgang mit dem menschlichen Leben". Es gehe bei der Frage nach Sterbehilfe nicht nur um das Recht auf Selbstbestimmung. "Gerecht ist nicht immer nur das, was der Einzelne will, sondern auch, was eine Gesellschaft moralisch prägt", so Di Fabio.
Auf die Frage nach der Möglichkeit, Extremfälle sehenden Auges in einer rechtlichen Grauzone zu belassen, sagte der 60-Jährige, "man muss und kann nicht alles regeln". In der öffentlichen Debatte sei häufig vom Vertrauensbruch die Rede, von Missständen, Straftaten. Dann seien Gesetzgeber und Richter gefragt. "Das verstellt aber mitunter den Blick auf einen Lebensalltag, der mit dem schweren Schicksal besonnen umgeht." Wichtig ist nach Di Fabios Worten Vertrauen: zu nächsten Angehörigen, behandelnden Ärzten, Pflegern oder Geistlichen. "Es gibt immer noch eine Alltagskultur, die in der engen Zuwendung Maßstäbe des richtigen Handelns wachsen lässt." Di Fabio gehörte von 1999 bis 2011 dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe an.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)