Meeresforscherin Boetius kritisiert deutsche Klimapolitik als "ungerecht und unanständig"
Archivmeldung vom 12.09.2019
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Freigeschaltet durch André OttAngesichts des Klimawandels braucht es eine Neuausrichtung der deutschen Politik. Das fordert Antje Boetius, Direktorin des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts, im Interview mit dem Bremer WESER-KURIER.
Die Meeresforscherin sagt: "Der Klimawandel ist eine fundamentale Herausforderung, und ich frage mich, ob es wirklich noch Sinn macht, krampfhaft an dieser Politik der schwarzen Null festzuhalten." Stattdessen erhofft sich Boetius mehr Investitionen in die Infrastruktur. Sie ruft die Politik dazu auf, den Ausbau des energiearmen Wohnens und der öffentlichen Verkehrsmittel voranzutreiben.
Boetius spricht sich im Interview auch für die Einführung eines C02-Preises aus. "Die Preisgestaltung ist ein schneller, direkter Weg", so die 52-Jährige. "Wer die Atmosphäre als CO2-Deponie benutzen will, muss dafür zahlen." Boetius kritisiert die bisherige Klimapolitik. Sie habe das Gefühl, dass mit dem Bürger nicht ehrlich umgegangen werde. "Auf mich wirkt es, als ginge es oft nur darum, die Verantwortung abzuwälzen, auf andere Nationen oder die nächsten Generationen", so Boetius, "das ist ungerecht und unanständig."
Das Alfred-Wegener-Institut, das Boetius führt, wird ab 20. September die größte Arktis-Expedition aller Zeiten leiten, die Mosaic-Expedition. Ein Jahr lang wollen die Wissenschaftler das Forschungsschiff "Polarstern" auf einer Scholle einfrieren lassen, um sich mit der natürlichen Eisdrift fortzubewegen. Die Forscher wollen den arktischen Winter erkunden, weil die Arktis als Frühwarnsystem für den Klimawandel gilt. Antje Boetius zählt zu den renommiertesten Meeresforschern. Im vergangenen Jahr erhielt sie den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie den Deutschen Umweltpreis.
Quelle: Weser-Kurier (ots)