"Spiegel": Streit um mögliches NPD-Verbotsverfahren spaltet Bund und Länder
Archivmeldung vom 03.12.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Befürworter eines Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme NPD werden durch zwei neue Dokumente bestärkt. Am vergangenen Mittwoch legten Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens vor.
In dem 141 Seiten langen Dossier seien Hetzreden, Aufrufe und Artikel von mehr als 400 Mitgliedern der NPD aufgelistet. Voraussetzung für ein Verbot sei der Nachweis, dass die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv ablehne, schreiben Stahlknecht und Friedrich. Die Partei habe eine "antisemitische, rassistische und ausländerfeindliche Einstellung" und sei mit dem Nationalsozialismus "wesensverwandt". Dafür fänden sich in der Materialsammlung "Belege, deren Aussagekraft allerdings unterschiedlich ist".
Die Bewertung des Berichts fällt vorsichtiger aus: "Die künftige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht prognostizierbar." Die Entscheidung über ein Verbot sei eine "Frage der politischen Abwägung". Die zurückhaltende Bewertung hat Verbotsskeptiker Friedrich erzwungen zum Unwillen seiner Länderkollegen. Die meisten sind für das Verbot, Friedrich ist dagegen. Vor der Innenministerkonferenz diesen Mittwoch in Rostock- Warnemünde trennt sie ein tiefer Graben. "Ich werde empfehlen, den Antrag zu stellen", sagt Stahlknecht. "Wir haben gute Erfolgsaussichten."
In einem Brief an alle Kollegen schloss sich der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern, Stahlknechts Bewertung "ausdrücklich" an. Unterstützung erhalten die Befürworter durch ein Gutachten von Franz Wilhelm Dollinger. Der Jurist hatte sich 2003 mit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren als Referent am Verfassungsgericht befasst. Dollingers Urteil fällt eindeutig aus: Die Ziele der NPD seien mit dem Grundgesetz unvereinbar , die NPD habe zudem gewalttätige Tendenzen. Lediglich die Mandate, welche NPD-Abgeordnete in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern innehaben, könnten rechtlich geschützt sein. Mittlerweile spricht vieles dafür, dass die Innenminister sich für einen Verbotsantrag entscheiden.
FDP-Politiker Baum warnt vor NPD-Verbotsverfahren
Der Jurist und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat Bund und Länder vor einem NPD-Verbotsantrag in Karlsruhe gewarnt. Baum sagte der "Saarbrücker Zeitung", die zögerliche Haltung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sei richtig. "Ein Verbotsverfahren ist für mich nur eine Ersatzhandlung, die von dem eigentlichen Problem ablenkt." Vielmehr müssten Politik und Gesellschaft alles tun, "um das braune Gedankengut in den Köpfen zu bekämpfen". Baum betonte, "die NPD ist ein Mitbewerber bei Wahlen. Dort muss sie geschlagen werden". Außerdem sei er grundsätzlich ein Gegner von Parteiverboten. "Keine andere europäische Demokratie kennt das Instrument des Parteiverbotes." Sollte ein Verfahren in Karlsruhe scheitern, wäre dies "eine Niederlage für den Rechtsstaat und ein Unterstützung für eine NPD, die ohnehin dahin siecht". Auch ein Erfolg vor dem Verfassungsgericht nutze wenig, da "sofort weitere Ersatzorganisationen der Rechten aus dem Boden sprießen werden. Ein Verbotsantrag hat demnach eine nachhaltige Wirkung", warnte Baum.
Seehofer: NPD-Verbotsantrag frei von V-Leute-Material
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist davon überzeugt, dass ein neues NPD-Verbotsverfahren nicht an V-Leuten in der rechtsextremistischen Partei scheitern würde. "Das Material ist anders als 2003 nicht durch Informationen von V-Leuten infiziert", sagte der CSU-Chef der Tageszeitung "Die Welt".
Wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, gehe es um eine politische Entscheidung. "Die NPD muss verboten werden", forderte Seehofer. "Das gebieten unsere geschichtliche Verantwortung und der Ruf Deutschlands in der Welt."
Der Regierungschef warnte eindringlich davor, auf ein neues Verbotsverfahren zu verzichten. Dies würde "den Rechtsextremen enorme Schubkraft verleihen", so Seehofer. "Ich will, dass die NPD nicht mehr aus Steuergeldern finanziert wird. Und die Parteienfinanzierung lässt sich erst unterbinden, wenn diese Partei verboten ist."
Seehofer sprach sich für einen gemeinsamen Verbotsantrag der drei Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung aus: "Es wäre wünschenswert, wenn sich alle Verfassungsorgane einig wären und gemeinsam nach Karlsruhe zögen." Wenn nötig, gehe der Bundesrat diesen Schritt jedoch auch alleine. "Ein Verzicht auf ein Verbotsverfahren würde den Rechtsextremen enorme Schubkraft verleihen."
Bedenken, ein mögliches Verbot könnte vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgehoben werden könnte, wies Seehofer zurück: "Das europäische Gericht möchte ich sehen, das die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, eine rechtsradikale, verfassungsfeindliche Partei zu dulden."
Quelle: dts Nachrichtenagentur