EU-Arbeitsminister: Mehr als 48 Stunden Arbeit pro Woche verboten
Archivmeldung vom 10.06.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakIn der Europäischen Union soll künftig nicht länger als 48 Stunden pro Woche gearbeitet werden dürfen – mit Ausnahmen für manche Arbeitnehmer. Darauf einigen sich die Arbeitsminister der Mitgliedstaaten. Auch Ärzte und Leiharbeiter bekommen mit der neuen Richtlinie mehr Rechte.
Nach
jahrelangem Tauziehen bekommen Millionen von Leiharbeitern und
überlastete Klinikärzte in Europa einheitliche Regeln für bessere
Arbeitsbedingungen. In einem Verhandlungs-Marathon bis tief in die
Nacht beschlossen die Arbeitsminister der 27 EU-Staaten die bis zuletzt
umstrittenen Richtlinien zur Arbeitszeit und Zeitarbeit.
Zeitarbeiter
sollen weitgehend mit Festangestellten rechtlich gleichgestellt werden.
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit ist auf 48 Stunden festgelegt
worden. Dennoch bleibne aber Ausnahmen bis zu 65 Stunden möglich – wenn
der Arbeitnehmer zustimmt.
„Dies ist ein wichtiger Tag für die europäischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, sagte die Ratsvorsitzende und slowenische Ressortchefin Marjeta Cotman in Luxemburg. Zuvor war der Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zustande gekommen. „Der Kompromiss gewährleistet Schutz und Sicherheit für die Arbeitnehmer, aber auch Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung“, sagte Cotman.
EU-Sozialkommissar
Vladimir Spidla verspricht sich von der Einigung „neuen Schwung für das
soziale Europa“. Jetzt liege „der Ball im Feld des europäischen
Parlaments“, das die Richtlinien noch formal beschließen muss, sagte
Spidla. Eine Minderheit um Spanien und kleinere Ländern übte heftige
Kritik an der Arbeitszeitrichtlinie, die sie gern restriktiver zum
Schutz der Arbeitnehmer gehabt hätte. „Das ist ein Rückschritt bei den
sozialen Richtlinie“, sagte Spaniens Minister Celestino Corbacho.
Für
Deutschland bedeuten beide Neuregelungen nach den Worten von
Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) „eine gute Lösung“. Im Hinblick auf
die Arbeitszeitregelung gelte, dass das bestehende deutsche Recht nicht
geändert werden brauche. Dies sei wichtig, weil Deutschland „eines der
fortschrittlichsten Arbeitszeitrechte in Europa“ habe.
So sei
beispielsweise in Deutschland geregelt, dass Bereitschaftszeit als
Arbeitszeit gilt. Dies habe etwa für viele Ärzte eine Entlastung
bedeutet, und es könne dabei nun bleiben. Die in Deutschland bereits
bestehende Regelung für die Rechte von Zeitarbeitern seien außerdem nun
zum „Standard in Europa“ geworden.
Indes ist es auch künftig
erlaubt, mehr als 48 Stunden zu arbeiten, sofern der Arbeitnehmer
zustimmt. Dies hatte Großbritannien gefordert, um die auf der Insel
übliche Kultur nicht aufgeben zu müssen, bei hohem Arbeitsaufkommen im
Gegenzug für später gewährte zusätzliche Freizeit länger arbeiten zu
können.
Die maximale Stundenzahl ist künftig aber auf 65 begrenzt – bislang waren es 78. Eine Gruppe um Frankreich hatte 48 Stunden verbindlich festlegen wollen, um Arbeitnehmer vor Ausbeutung und Unfällen zu schützen.
Bereitschaft der Ärzte gilt nicht als Ruhezeit
Eine Einigung gab es auch in der strittigen Frage, wie der Bereitschaftsdienst etwa von Krankenhausärzten zu werten ist. Hier lautet sie Sprachregelung nun, dass Bereitschaftszeit zwar nicht als Ruhezeit gewertet werden kann. Arbeitszeit ist es aber nur dann, wenn dies in nationalen Gesetzen festgeschrieben ist oder sich die Sozialpartner darauf einigen.
Über die neue Arbeitszeit-Richtlinie wurde seit 2002 gestritten. Die jetzt gefundene Einigung muss noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden. Spanien, Belgien, Zypern, Griechenland und Ungarn haben bereits angekündigt, noch Änderungswünsche durchsetzen zu wollen, da sie den aktuellen Kompromiss nicht voll unterstützen.