VW-Chef Müller fordert von Bundesregierung Absage an Fahrverbote
Archivmeldung vom 22.07.2017
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.07.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttVW-Chef Matthias Müller fordert von der Bundesregierung zum Diesel-Gipfel am 2. August eine Absage an Fahrverbote. "Ich erwarte vor allem, dass es auf Bundesebene eine Lösung gibt, die für unsere Kunden Verbindlichkeit herstellt", sagte Müller der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
"Wenn die Behörden den Kunden keine Zusicherung geben, dass sie weiter mit ihrem Diesel in die Städte dürfen, können wir nachrüsten, so viel wir wollen." Die Diesel-Nachfrage sinke bereits: "Die Verunsicherung ist groß. Das spüren wir auch an den Diesel-Bestellungen, die merklich zurückgegangen sind." Der VW-Chef betonte: "Fahrverbote sehen wir generell als falschen Schritt an." Zudem sei das Auto ja nur ein Teil des Stickoxid-Problems.
Zum Umfang der Nachrüstungen sagte Müller: "Allein in Deutschland haben wir bereits über 1,8 Millionen Autos umgerüstet." Da kämen nun weitere hinzu.
Es bleibt bei Diesel-Fahrverboten in München ab 2018
Das durch Ministerpräsident Seehofer rechtswidrig über drei Wochen hinweg zurückgehaltene Gutachten zur Luftqualität in München zeigt eine alarmierende Belastung mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid - Bayerische Staatsregierung will Autoindustrie erlauben, bei unter +10 Grad Celsius weiterhin stark erhöhte Abgasmengen auszustoßen - Höchstrichterliche Entscheidung zur umsetzungsreifen Vorbereitung von Diesel-Fahrverboten bis zum 31.12.2017 unverändert in Kraft - DUH wirft Staatsregierung zudem Beschönigung der Situation durch die Verwendung veralteter Emissionsfaktoren vor
Über drei Wochen hinweg hat Ministerpräsident Horst Seehofer ein Gutachten über die Belastung der Münchner Luft mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) rechtswidrig zurückgehalten. Am 18.7.2017 wurde dieses nun zusammen mit einem aktionistisch geprägten aber weitgehend inhaltsleeren Kabinettsbeschluss veröffentlicht. Die Daten zur Luftbelastung der zweitschmutzigsten Stadt Deutschlands zeigen, dass nicht nur an den wenigen bisher bekannten Messpunkten, sondern an 123 Kilometern des Hauptverkehrsstraßennetzes der Landeshauptstadt Überschreitungen des Luftqualitäts-Grenzwertes für NO2 auftreten.
Dazu erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): "In all den Jahren wurde die Diskussion um die Münchner Luft nur punktuell zu den beiden Hauptbelastungspunkten Stachus und Landshuter Allee geführt. Das nun vorliegende Gutachten macht deutlich, dass aber die gesamte Innenstadt von München und viele Außenbereiche mit giftigen Dieselabgasen zum Teil extrem belastet sind. Grenzwertüberschreitungen finden sich an 37 Prozent der Hauptverkehrsstraßen mit Randbebauung - entlang der Straßen also, an denen Menschen wohnen und arbeiten, Kinder in die Kita oder zur Schule gehen oder Passanten unterwegs sind, um Erledigungen zu tätigen."
Eine erste Analyse des Gutachtens zeigt, dass die Belastungssituation in Wirklichkeit noch gravierender ist, als angenommen. So musste die DUH feststellen, dass für das Gutachten zu niedrige und damit falsche Realemissionsdaten für Diesel-Fahrzeuge verwendet wurden. Dabei hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit Umweltministerin Barbara Hendricks bereits am 25. 4. 2017 die neuen Emissionsfaktoren im "Handbuch für Emissionsfaktoren", Version 3.3 bekannt gegeben. Demnach sind die realen NOx-Emissionen aus Diesel-Pkw bei Euro 4 Pkw um 24 Prozent höher, bei Euro 5 um 34 Prozent und bei Euro 6 sogar 92 Prozent höher, als in der vorherigen Fassung, auf denen jedoch das Münchner Gutachten basiert. Es ist für die DUH nicht nachvollziehbar, warum das Luftqualitätsgutachten München diese aktualisierten Werte ignoriert und stattdessen allein für die auf der Straße besonders schmutzigen Euro 6 Diesel-Pkw einen "Zuschlagsfaktor" von 1,7 innerorts annimmt.
Eine klare Absage erteilt die DUH der Absicht der Landesregierung, anstelle wirkungsvoller Dieselfahrverbote eine Kaufförderung für Diesel-Pkw und erneute Softwaremanipulationen der Hersteller treten zu lassen: "Was hat Seehofer geraucht, dass er zur Senkung der Konzentration des Dieselabgasgiftes NO2 die steuerliche Förderung des Neukaufs schmutziger Diesel fordert und den Autobauern, die bereits überführt sind, betrügerische Software zu verbauen, erlauben will, neue Software-Manipulationen nun mit freistaatlichem Segen durchzuführen? Besonders ärgerlich: Im Winterhalbjahr unter +10 Grad Celsius sollen die Diesel-Pkw so dreckig bleiben wie bisher. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln dagegen ankämpfen, dass der Automobilindustrie unwirksame Placebo-Lösungen erlaubt werden, die zulassungsrechtlich illegal sind und die Gesundheit der Menschen schädigen. Wann erkennen endlich auch süddeutsche Ministerpräsidenten, dass es prioritär ist, sich um die Vermeidung von aktuell 10.600 vorzeitigen Todesfällen durch Dieselabgasgifte zu kümmern als um hohe Gewinne ihrer gehätschelten Autokonzerne?", so Resch weiter.
Das Gutachten hätte laut Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (22 C 16.1427) bereits am 29.6.2017 der Öffentlichkeit vorgelegt werden müssen. Aufgrund dieser unzulässigen Verzögerung hatte die DUH beim Gericht am 30.6.2017 die Vollstreckung eines Zwangsgeldes beantragt. Die DUH geht davon aus, dass dieses auch wegen der Missachtung des Termins festgesetzt wird.
Quelle: Rheinische Post / DUH (ots)