Grüne kritisieren Änderung des Personenstandsrechts als zu zaghaft
Archivmeldung vom 14.12.2018
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Freigeschaltet durch André OttDie Grünen haben den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Personenstandsregisters als zu zaghaft kritisiert. "Niemandem wird irgendetwas weggenommen, wenn geschlechtliche Vielfalt anerkannt wird", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die Große Koalition scheint das noch immer nicht so recht begriffen zu haben."
Mit der Bestimmung, dass Erwachsene, die weder Mann noch Frau sind, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nur mit ärztlicher Bescheinigung ändern lassen können, wolle die Regierung die Änderung weiterhin erschweren oder gar unmöglich machen, so Hofreiter weiter. Diese "Attestpflicht" sei "unsinnig und ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber denjenigen, die nicht in das veraltete Gesellschaftsbild, insbesondere von CDU und CSU, passen", sagte der Grünen-Politiker den Funke-Zeitungen. Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen, müssten selbst entscheiden können, was in ihrem Pass steht. Nur das entspreche der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Zudem schließe die Reform transsexuelle Menschen aus, die sich weiter "durch das unwürdige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz quälen müssen".
Das sei "ein klares Beispiel für verfassungswidrige Ungleichbehandlung". Die Reform, so Hofreiter, wäre eine Chance gewesen, auch dieses abzuschaffen. Doch "weiterreichende Reformen mit Blick auf geschlechtliche Vielfalt und das Selbstbestimmungsrecht scheinen für die Koalition keinerlei Rolle zu spielen". Sven Lehmann, Sprecher der Grünen-Fraktion für Queer-Politik, forderte mehr Sensibilität für Menschen außerhalb des binären Geschlechterspektrums im Alltag. "Die Gesellschaft muss sich darüber bewusst werden, dass es mehr gibt als Männer und Frauen", sagte Lehmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle hätten dasselbe Recht auf Sichtbarkeit und Gleichberechtigung. Nötig sei auch eine sensible und an Vielfalt ausgerichtete Pädagogik in Kitas und Schulen, "damit auch trans- und intersexuelle sowie transidente Kinder in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden", sagte Lehmann. Auch im medizinischen Bereich fehle es häufig noch an Fachwissen über geschlechtliche Vielfalt. Bei Ärzten müsse sich durchsetzen, dass Intersexualität und Transsexualität keine Krankheit, sondern Varianten von Geschlecht sind, sagte Lehmann den Funke-Zeitungen. "Heute ist ein Coming Out für die Betroffenen in diesen Bereichen noch stark schambesetzt."
Quelle: dts Nachrichtenagentur