Millionenprogramm soll Schulversagern helfen
Archivmeldung vom 13.02.2009
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Freigeschaltet durch Oliver RandakMit 59 Millionen Euro will Sachsen-Anhalt bis 2013 die Zahl der Schüler halbieren, die ohne Abschluss die Schule verlassen oder sie überhaupt nicht besuchen. Allein an den Sekundarschulen soll die Abbrecherquote auf 3,2 Prozent sinken.
Laut Statistik schaffen 12,4 Prozent der sachsen-anhaltischen Schüler - etwa jeder achte - keinen Abschluss. Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz stuft diese Zahlen jedoch als ungenau ein. Grund: «Die Statistik zählt all jene als abschlusslos, die unterhalb eines Hauptschulabschlusses die Schule verlassen.» Das beziehe auch Förderschüler ein. Die machen zwar einen Abschluss, aber keinen, der gesellschaftlich anerkannt sei.
Dagegen soll demonstrierte Einigkeit helfen. Statt Schule und Sozialarbeit nebeneinander wirken zu lassen, sollen beide gemeinsam Probleme angehen - und beim einzelnen Schüler ansetzen. Dafür steht das Landesvorhaben mit dem sperrigen Namen «Projekte zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs». Für 79 Schulen ist der Startschuss bereits gefallen, 70 weitere wollen ebenfalls davon profitieren. Die finanzielle Ausstattung soll unter anderem ausreichen, um landesweit 150 Sozialarbeiter einsetzen zu können.
Zudem sollen die Eltern ins Boot geholt und Fachkräfte stärker professionalisiert und vernetzt werden. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung wird den koordinierenden Blick auf die 13 regionalen Netzwerkstellen wahren und für nötige Qualifizierungsmaßnahmen und Interessenausgleiche sorgen. Deshalb ist vorgesehen, sich nicht nur auf Schulen und Sozialarbeit zu beschränken, sondern auch mit Kindertagesstätten, Behörden, Jugendhilfe und Polizei zusammen zu arbeiten. Letzteres nicht restriktiv, sondern präventiv.
Damit ist eine breite Struktur angelegt. Doch die soll in den nächsten vier Jahren nicht nur weniger Schulabbrecher hervorbringen, sondern muss selbst erst einmal lernen zu funktionieren. «Zugleich muss daraus ein Prototyp entstehen, der über das Jahr 2013 hinaus in der Lage ist, seine Kernaufgaben zu erfüllen. Dann ohne eine solch enorme Summe», betont Olbertz. Ein Ziel, das schon einmal gescheitert ist - bei dem ähnlichen Projekt «Schulsozialarbeit» im Jahr 2005.
Ein Stück weit soll dem wissenschaftliche Begleitung entgegenwirken. Thomas Olk, Professor für Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, will dokumentarisch und evaluierend die Entwicklungen festhalten. Ziel sei aber nicht nur das Endergebnis. Vielmehr sei im laufenden Betrieb zu klären, wie die Bestandteile des Programms funktionieren, sich entwickeln und künftig auswirken. Zugleich wolle man während der Laufzeit mögliche Fehlentwicklungen erkennen und diesen sofort entgegenwirken.
Die Forschung allein kann die Schulabbrecherquote jedoch nicht senken. Dazu sei ein Umdenken nötig. Da gehe es nicht nur darum, die Schwächen der Kinder zu erkennen, sondern auch ihre Stärken herauszuarbeiten, betonte Olbertz. Heike Kahl von der Kinder- und Jugendstiftung bringt es auf den Punkt: «Die Pädagogen müssen sich darüber klar werden, ob sie Englisch oder Kinder unterrichten.» Die Bildung von morgen dürfe nicht nur wissensorientiert sein, sie müsse Kindern die Kraft geben, sozial kompetent zu werden.
Um das zu erreichen, müssen jedoch Defizite in der Lehrlandschaft behoben werden. «Die Schulen dürfen sich nicht länger hinter verschlossenen Türen verstecken», fordert der Berliner Pädagoge und einstige Interimsleiter der Rütli-Schule Helmut Hochschild. Statt Selektion sei Integration gefragt, statt Hauptschüler abzuwerten, müssten diese früh mit Firmen in Kontakt kommen, um zu zeigen, dass sie mehr leisten können, als Schulnoten letztlich besagen. Die Gesellschaft müsse endlich in der Schule mitwirken.