Hessens Ministerpräsident schaltet sich in Asylstreit ein
Archivmeldung vom 20.06.2018
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.06.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttIm Asylstreit zwischen CDU und CSU hat sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mit scharfer Kritik an der bayerischen Schwesterpartei eingeschaltet. Die Lage sei deshalb so eskaliert, weil die CSU um die absolute Mehrheit bei der bayerischen Landtagswahl fürchte. Das habe zur einer "falschen Strategie" geführt, sagt Bouffier in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit".
Es bestehe Konsens darüber, dass man beim Thema Migration weiterkommen müsse. "Aber die Diskussion fühlt sich so an, als stünden wir wieder bei 2015. Das ist falsch. Wenn ich jeden Tag erkläre, dass alles ganz furchtbar ist, dann sagen die Leute: Du hast die Sache offenbar nicht im Griff. Ob das dazu führt, dass sie mich wählen, wage ich zu bezweifeln", sagt Bouffier, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei ist, der "Zeit". Seehofers Einschätzung, man habe die Lage nicht im Griff, sei "nicht richtig", sagt Bouffier unter Verweis auf Hessen. "Die Bilanz des ersten Quartals sieht in Hessen so aus: Binnen drei Tagen sind die Menschen registriert, binnen einer Woche ist die Anhörung beim BAMF, binnen eines Monats sind 80 Prozent der Fälle beschieden. Wir hatten 300 freiwillige Ausreisen und haben etwas über 200 abgeschoben."
Bouffier kritisiert außerdem, dass Zurückweisungen von per Eurodac registrierten Migranten "in den zurückliegenden Wochen und Monaten" nie ein Thema gewesen sei, "nirgends. Weder bei den Jamaika-Verhandlungen noch in der Koalitionsverhandlung mit der SPD, noch in dem Kompromiss zwischen CDU und CSU." Bouffier räumt ein, dass auch er den Masterplan von Horst Seehofer nicht kenne. Entscheidend sei etwas anderes: "Entscheidend ist, dass die Union beieinanderbleibt. Sonst haben wir in einem Jahr italienische Verhältnisse. Das kann niemand mit Sinn und Verstand wollen." Eine weitere Eskalation bringe die Fraktionsgemeinschaft in Gefahr. "Die CSU tritt bundesweit an und die CDU auch in Bayern. Am Ende haben wir eine Lage, in der man drei oder mehr Parteien braucht, um eine Regierung zu bilden, und kann nur noch politische Minimalkompromisse machen. Die politische Stabilität Deutschlands ist dann nicht mehr gegeben", warnt Bouffier.
Er ist damit der erste hochrangige CDU-Vertreter, der offen ins Kalkül zieht, dass die CDU im Fall eines Bruchs auch in Bayern antreten könnte. Der hessische Ministerpräsident zeigt sich optimistisch, dass Merkel binnen zwei Wochen "eine ganze Menge" erreichen könne. "Auch Länder wie Italien haben ein Interesse daran, dass Deutschland stabil bleibt." Eine Rückweisung an der Grenze, wie Seehofer sie für den Fall angekündigt hatte, dass Merkel kein gleichwertiges Ergebnis erreiche, würden dagegen an der Realität scheitern, so Bouffier. "Es gibt drei bewachte Grenzübergänge von rund 90. Da müsste man überall Bundespolizisten hinstellen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur