Erhebliche Schwächen bei der Arbeitsvermittlung durch die Kommunen
Archivmeldung vom 20.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Deutsche Landkreistag (DLT) hat deutliche Schwächen bei der Vermittlung von Arbeitslosen durch die sogenannten Optionskommunen festgestellt, die die Arbeitsvermittlung in eigener Regie ohne die Bundesagentur für Arbeit betreiben.
In einem internen
und vertraulichen Strategiepapier des DLT mit dem Titel "Hartz, aber
machbar!", das dem ZDF-Wirtschaftsmagazin "WISO" vorliegt, heißt es:
"Die Software ist uneinheitlich. Datenerfassung und - übermittlung an
die Bundesagentur für Arbeit sind problematisch und binden teilweise
40 Prozent der Arbeitskraft."
Selbstkritische Passagen hat der DLT allerdings aus
seiner "Kommunikationsstrategie für das Optionsmodell" gestrichen,
die noch im Entwurf, der "WISO" ebenfalls vorliegt, deutlich benannt
wurden. Hier heißt es unter anderem, es stelle sich "die Frage, wie
die Optionskommunen bei einer Verwendung von 40 Prozent der
Arbeitskraft auf statistische Fragen Arbeitslose besser integrieren
können." Dies werfe darüber hinaus "ein kritisches Licht auf
dezentrale Softwarelösungen, die sich so angreifbar machen würden."
Verantwortlich für diese Schwächen bei der Arbeitsvermittlung sei
die Bundesagentur für Arbeit, die eine "Vielzahl von Informationen"
fordere, die für "jeden einzelnen Hilfe-Empfänger eine Menge an
Datenerfassung und Datenübermittlung" notwendig mache, erklärt
Markus Keller vom DLT im "WISO"-Interview. "Das bindet Zeit. Hätte
man diese Zeit zur Verfügung, könnte man mehr Menschen in Arbeit
bringen."
Die Bundesagentur für Arbeit weist diese Darstellung zurück. Die
Bundesagentur leide nicht unter "Datensammelwut", sagt der Sprecher
der Bundesagentur für Arbeit, John-Philip Hammersen, in "WISO". Die
Arbeitsagentur erhebe nur das, was "gesetzlich vorgeschrieben"
sei. "Dass die Optionskommunen 40 Prozent ihrer Arbeitskraft darauf
verwenden, liegt vor allem daran, dass sie ihre eigenen Software-
Lösungen finden wollten und umgesetzt haben." Die Bundesagentur habe
ursprünglich allen Kommunen angeboten, ihre Software zu verwenden",
so Hammersen. "Damit wäre die Sache einfacher gewesen."
Als eine weitere Schwäche listet das Strategiepapier des DLT "eine
schwere Nachweisbarkeit der Erfolge der Optionskommunen aus
statistischen Gründen" auf. Markus Keller vom DLT erklärt dazu
in "WISO": Die "Optionskommune vor Ort sieht ihre Erfolge, sieht,
wen sie in Arbeit vermittelt hat". Das Problem liege aber
darin, "dass eine Vielzahl von Informationen an die Bundesagentur
für Arbeit übermittelt werden" müssten. Die Bundesagentur jedoch
könne "die Erfolge nicht so darstellen, wie sie die Optionskommunen
selber sehen".
Dazu erklärt der Sprecher der Bundesagentur Hammersen: "Wenn die
Optionskommunen ihre Zahlen haben, dann hindert sie niemand daran,
ihre Erfolge auch selbst darzustellen. Das ist nicht unbedingt Sache
der BA." Anhand der Zahlen könne Nürnberg "natürlich jetzt schon"
sehen, "welche Optionskommune gut, welche schlecht" sei. Doch es
gebe eine "Verabredung, die sogenannte Hartz-Evaluation abzuwarten".
Bis zum Jahr 2008 werden demzufolge alle Fakten der
Arbeitsvermittlung gesammelt, ausgewertet und erst dann
veröffentlicht.
Mit seiner neuen
"Kommunikationsstrategie" beabsichtigt der DLT, in den kommenden
Monaten das Image der Optionskommunen zu verbessern. "Die
Optionskommunen müssen als "Marke aufgebaut werden", heißt es in dem
Papier. Mit einer ausgeklügelten Lobby- Arbeit in Politik und Medien
solle vor allem eine zentrale Botschaft der Arbeitsvermittlung ins
öffentliche Bewusstsein gerückt werden: "Wir machen das besser,
unbürokratischer und wirtschaftlicher." Zugleich wird der bisherigen
Konfliktstrategie gegenüber der Bundesagentur für Arbeit eine Absage
erteilt. Künftig solle "der Konflikt mit den Arbeitsgemeinschaften
und der Bundesagentur nicht gesucht werden". Die Optionskommunen
seien einer viel größeren "kommunikativen Durchschlagskraft" von
deren Seite ausgesetzt. Deshalb sei hier der "Vergleich David gegen
Goliath" durchaus angebracht. Das Papier mahnt: "Nur im wohl
abgewogenen Einzelfall sollte die Bundesagentur kritisiert werden."
Dies solle auch über neue "strategische Allianzen" wirksamer zur
Geltung gebracht werden. Es solle an "Arbeitnehmerverbände,
Wohlfahrtsverbände, Bildungsträger" herangetreten werden.
Ausdrücklich wird auf eine Sitzung des DLT-Präsidiums vom November
2006 verwiesen, in der "dies etwa bezogen auf den DGB vorgeschlagen
wurde".
Die Schwächen der Optionskommunen führt der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), darauf zurück, dass es kein einheitliches System für die Arbeitsvermittlung bei Hartz IV gibt. "Es muss alles in eine Hand gelegt werden, möglicherweise in die der Bundesagentur für Arbeit", sagt Franz in WISO. Das ZEW untersuche derzeit, welches System das beste sei. Die Ergebnisse könne das ZEW noch in diesem Jahr veröffentlichen.
Quelle: Pressemitteilung ZDF