eco: Wahlprogramme ignorieren internationale Netzpolitik
Archivmeldung vom 12.09.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Internet wird in internationalen Verhandlungen gestaltet - doch für internationale Netzpolitik haben die Parteien keine überzeugenden Konzepte in ihren Wahlprogrammen. Damit schaffen sie unnötige Risiken: sowohl für die Rechte deutscher Internetnutzer als auch für eine Branche, die maßgeblich zur positiven Konjunkturentwicklung beiträgt. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco warnt davor zu übersehen, welch große Bedeutung das internationale Thema für die deutsche Wirtschaft hat.
Landesgrenzen und Hoheitsgebiete sind Erfindungen der analogen Welt, die sich nur schlecht auf das Internet übertragen lassen: Nutzer verwenden Dienste aus anderen Rechtsräumen, nationale Verbote lassen sich mit wenigen Klicks umgehen. Und die PRISM-Debatte machte bewusst, dass selbst bei Sendern und Empfängern im selben Land der Datenverkehr teilweise übers Ausland läuft und somit fremden Zugriff ausgesetzt ist. Dies zeigt: Fragen zu rechtlichen und technischen Verfahren im Internet lassen sich auf nationaler Ebene nur mit Abstrichen lösen, viele Themen bedürfen internationaler Kooperation.
Die entsprechenden internationalen Gremien gibt es. eco vertritt dort seit Jahren die Interessen der deutschen Internetwirtschaft, zum Teil mit Unterstützung der Bundesregierung. Teilweise ist die aktuelle Regierung auch selbst aktiv - ob dies in der kommenden Legislaturperiode so bleibt, ist allerdings unklar. In den Wahlprogrammen der Parteien gibt es kaum Aussagen zur internationalen Netzpolitik. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Internets ist dies für den Vorstandsvorsitzenden von eco, Prof. Michael Rotert, ein unerklärliches Versäumnis: "Hier wird ein Weltmarkt gestaltet. Aber in den Parteiprogrammen finden sich nur Allgemeinplätze oder Einzelthemen, wo Gesamtkonzepte notwendig wären."
Eindimensionales Verständnis von Netzpolitik
So reduziert die CDU/CSU das Thema internationale Netzpolitik auf den Schutz vor Cyberspionage. Die SPD betrachtet es nur unter dem Gesichtspunkt des Urheberrechts, die Linke fordert ein Exportverbot für Überwachungssoftware, die FDP schweigt völlig.
Etwas konkreter werden Piraten und Grüne, leider ohne in der Sache viel zu erreichen: Die Piraten formulieren das kaum greifbare Ziel, weltweit ein freies Internet auszubauen und einen friedlichen Cyberspace zu schaffen. Die Grünen hingegen fordern eine weltweite Internet Governance-Struktur. Diese gibt es jedoch bereits seit Jahrzehnten: Sie war Voraussetzung, dass sich das Internet überhaupt auf seinen heutigen Stand entwickeln konnte.
eco fordert Einmischung
Gerade diese letzte Forderung macht das Problem deutlich, so Rotert: "Die Politik hat zwar die Möglichkeit, gestaltend mitzuwirken. Aber da die etablierten Verfahren anders ablaufen als im politischen Geschäft üblich, kennen nur wenige Experten überhaupt die Möglichkeiten. Meist springen stattdessen Nichtregierungsorganisationen ein, die aber natürlich ihre eigene Agenda vertreten."
Die nächste Bundesregierung sollte deshalb strategisch und mit einem klaren Programm das Internet aus Sicht deutscher Interessen mitgestalten. Eine gute Gelegenheit ist der European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG). Auf dieser Konferenz erarbeiten Stakeholder aus Regierung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeinsame Ziele für die Netzentwicklung - dort werden die vereinigten digitalen Staaten von Europa erdacht. 2014 findet das wichtige Treffen in Berlin statt. Ein gutes Zeichen: eco wird von der Bundesregierung unterstützt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat die Schirmherrschaft übernommen.
Quelle: eco - Vb. d. dt. Internetwirtschaft e.V. (ots)