Merkel knöpft sich Mehdorn vor
Archivmeldung vom 12.09.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakKunden beschweren sich, Kanzlerin Merkel rief persönlich bei Konzernchef Mehdorn an: In einer Krisensitzung will die Bahn am Morgen über den neuen Bedienzuschlag beraten. Die umstrittene neue Gebühr könnte für größere Gruppen von Fahrgästen gestrichen oder ganz gekippt werden.
Die Bahn scheint einzuknicken: Das Unternehmen will offenbar auf die Proteste gegen den geplanten Bedienzuschlag an ihren Fahrkartenschaltern offenbar reagieren und denkt über weit reichende Änderungen an dem Konzept nach. Nach Informationen des "Tagesspiegels" wird der Vorstand des Konzerns an diesem Freitagmorgen darüber beraten, weitere Kundengruppen von der Gebühr von 2,50 Euro beim Kauf eines Tickets auszunehmen. Alternativ könne das gesamte Konzept gekippt werden.
"Dem Vorstand ist klar, dass es sich nicht lohnt, für die Gebühr einen Krieg anzufangen", sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person aus dem Aufsichtsrat. Ein Bahn-Sprecher lehnte einen Kommentar ab und sagte nur, die Ausgestaltung der Gebührendetails sei noch unklar.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Bahnchef Hartmut Mehdorn in einem Telefonat "ihr Unbehagen über die Bedienzuschläge" mitgeteilt, meldet die "Welt". Auch Verbraucherschutzminister Horst Seehofer lehnt den geplanten Bedienzuschlag komplett ab.Ein Blick auf die Tarifstrukturen anderer europäischer Länder wie Österreich, Schweiz, Engeland, Niederlande, Spanien und Frankreich zeige, dass keines dieser Länder einen Bedienzuschlag von seinen Kunden verlange, sagte der CSU-Politiker. Der Vorschlag, den Bedienzuschlag entfernungsunabhängig mit 2,50 Euro zu veranschlagen, würde im Regionalverkehr zu erheblichen Preiserhöhungen führen.
Seehofer wies zudem auf die Rechtsprechung im Bankenbereich hin. Der Bundesgerichtshof habe "Schaltergebühren" immer wieder als unzulässig erklärt. So seien die Pläne der Deutschen Bahn komplett abzulehnen. Die Überlegung, für bestimmte Personengruppen Ausnahmen vorzubereiten, löse die grundsätzlichen Mängel des Vorschlages in keiner Weise, betonte Seehofer.
In jüngster Aufsichtsratssitzung "nicht einmal gehustet"
Den internen Planungen zufolge soll die Gebühr der Bahn unter dem Strich Zusatzeinnahmen von 60 Millionen Euro bringen. "Das ist zwar viel Geld, angesichts eines Umsatzes von mehr als 30 Milliarden Euro ist ein Verzicht darauf aber zu verschmerzen", sagte der Bahn-Insider aus dem Aufsichtsrat.
Allerdings seien die Personalkosten in den Reisezentren bereits auf mehr als 100 Millionen Euro gestiegen. "Allen ist klar, dass man da etwas tun muss." Eine Möglichkeit sei, an Stelle eines Aufschlags für Schalterkunden einen Rabatt für Käufe im Internet und am Automaten einzuführen - dies werde aber womöglich erst 2009 umgesetzt.
Verärgert sei man im Konzern über die Haltung der Regierung und der Gewerkschaften. Auf der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch in London "haben die nicht einmal gehustet". Erst danach sei der Aufschrei gekommen - "das ist nicht in Ordnung".