Trendumkehr bei Binnenwanderung: Diaby spricht von "Weckruf"
Archivmeldung vom 27.07.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićPolitiker von CDU, SPD und AfD haben unterschiedlich auf neue Daten reagiert, wonach erstmals seit 2016 im letzten Jahr wieder mehr Menschen aus den Neuen Bundesländern in den Westen abgewandert sind als andersherum.
Dies sei "hoffentlich nur ein vorübergehendes Phänomen", sagte Sepp
Müller (CDU), der als stellvertretender Vorsitzender der
Unions-Bundestagsfraktion für den Osten zuständig ist. Die Zahlen
zeigten, dass dies insbesondere am vermehrten Wegzug von Personen ohne
deutschen Pass liege. "Hier sollten die Verantwortlichen auf
Ursachenforschung gehen. Die Ursachen gilt es dann abzustellen, da
Ostdeutschland als Boomregion auf Arbeitskräfteeinwanderung aus allen
Ländern angewiesen ist", sagte Müller am Samstag der dts
Nachrichtenagentur.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung
Carsten Schneider (SPD) wollte die neuen Zahlen auf Anfrage nicht
kommentieren. Erst Mitte Juli hatte er in einem Interview gesagt, in den
vergangenen 35 Jahren seien viele Menschen aus Ostdeutschland
weggegangen, weil es an Arbeit fehle. "Jetzt hat sich das gedreht und es
mangelt an Arbeitskräften", so Schneider. Und in der Tat waren von 2017
an erstmals seit der Wende jedes Jahr mehr Menschen vom Westen in den
Osten umgezogen als in der anderen Richtung - bis zum Jahr 2022.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Halle (Saale) Karamba Diaby hofft
nicht, dass die neuen Daten, die für 2023 erstmals wieder einen
Binnenwanderungsverlust für Ostdeutschland zeigen, schon eine dauerhafte
Trendumkehr bedeuten. "Das negative Wanderungssaldo ist eine
Momentaufnahme", sagte Diaby der dts Nachrichtenagentur. "Ich finde
aber: Das kann auch ein Weckruf sein. Wir müssen uns in den ostdeutschen
Bundesländern für gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze, eine belastbare
Infrastruktur sowie gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, damit
sich Menschen hier wohlfühlen und heimisch werden bzw. bleiben."
Sein
Fraktionskollege Herbert Wollmann aus Stendal in Sachsen-Anhalt zeigte
sich "nicht überrascht". "Wenn sich der umkehrende Wanderungssaldo auf
verstärkte Ost-West-Binnenwanderung von Männern mit nicht deutschem Pass
zurückführen lässt, so spiegelt das den subjektiven Eindruck vor Ort
wider: Die Einwanderer (abgesehen von ukrainischer Herkunft) sind
überwiegend männlich, untereinander gut vernetzt und orientieren sich an
verwandtschaftlichen Beziehungen, die oft nach Westdeutschland
reichen", sagte Wollmann am Samstag.
Und in der Tat kommt der
Wanderungsverlust für Ostdeutschland vor allem durch den Fortzug von
Ausländern in den Westen zustande. Betrachtet man nur Menschen mit
deutschem Pass, gab es in 2023 sogar einen Wanderungsgewinn für den
Osten von über 10.000 Personen.
Dementsprechend interpretieren
Bundestagsabgeordnete der AfD die Zahlen auch ganz anders: "Ich freue
mich über die neue Ost-West-Wanderung. Denn sie bedeutet: Der Osten wird
lebenswerter. Viele Ostdeutsche kehren zurück in ihre Heimat", sagte
Barbara Benkstein (AfD), Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis Meißen
in Sachsen.
In ein ähnliches Horn stößt ihr Fraktionskollege
Thomas Dietz aus dem Erzgebirgskreis: "Bei der verstärkten
Wanderungsbewegung von Personen mit deutschem Pass von West nach Ost
zeigt sich die Sehnsucht der einheimischen Bevölkerung nach ihren
Wurzeln, die oftmals in den ostdeutschen Bundesländern liegen." Hier
finde man noch "ein Stück 'Normalität' vergangener Jahrzehnte, die im
Westen mittlerweile schmerzlich vermisst wird", sagte Dietz.
Laut
Zahlen aus den Bundesländern, die die dts Nachrichtenagentur
ausgewertet hat, zogen im Jahr 2023 genau 85.335 Menschen von den alten
in die neuen Bundesländer, 88.297 Menschen verlegten gleichzeitig ihren
Wohnsitz von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt,
Sachsen oder Thüringen in eines der West-Bundesländer. Unterm Strich
ergibt sich damit erstmals seit 2016 aus der Binnenwanderung wieder ein
Wanderungsverlust für den Osten, und zwar in Höhe von 2.962 Einwohnern.
Das Land Berlin wurde dabei nicht berücksichtigt, so macht es seit
Jahren auch das Statistische Bundesamt in der entsprechenden jährlichen
Auswertung. Die Behörde hat die Berechnung für 2023 bestätigt und plant
nach eigenen Angaben im August oder September eine eigene
Veröffentlichung.
Quelle: dts Nachrichtenagentur