Experten: Elterngeld ist verfassungswidrig
Archivmeldung vom 28.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas neue Elterngeld verstößt nach Meinung renommierter Verfassungsexperten gegen das Grundgesetz. "Das Elterngeld ist in vielen Punkten klar verfassungswidrig", sagte der Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert dem Tagesspiegel (Freitagausgabe). Nach Informationen des Tagesspiegels sind bereits Klagen geplant.
Diese haben nach Einschätzung von Verfassungsjuristen gute
Erfolgschancen. "Das Gesetz begünstigt Doppelverdiener, die ihr
erstes Kind bekommen", sagte Christian Seiler, der an der Universität
Erfurt den Lehrstuhl für Verfassungs-, Steuer- und Sozialrecht
leitet, dem Tagesspiegel. Während Gutverdiener bis zu 1800 Euro im
Monat vom Staat bekommen können, erhalten Arbeitslose oder Studenten
oft nur die Mindestförderung von 300 Euro. Seiler hält das für einen
Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten
Gleichbehandlungsgrundsatz: "Warum ist dem Staat die Erziehung, die
der Chefarzt seinem Kind angedeihen lässt, mehr wert als die
Erziehung, die eine Medizinstudentin leistet?" Benachteiligt würden
auch Familien, in denen nur ein Elternteil arbeiten geht und der
andere wegen der Erziehung älterer Kinder zu Hause bleibt. Denn der
Geschwisterbonus, den der Staat zahlt, wenn im Haushalt bereits
kleine Kinder leben, liegt für das neue Kind nur bei zehn Prozent des
Elterngeldes (mindestens 75 Euro). "Die staatliche Familienförderung,
die mit Steuerngeldern finanziert wird, schließt gerade die Familien
aus, die die Unterstützung am dringendsten brauchen", kritisiert
Seiler.
"Das neue Gesetz führt zu einer Umverteilung von unten nach oben", meint auch Sozial- und Familienrechtsexperte Borchert. "Wer wenig verdient, verliert jetzt auch noch ein Jahr an staatlicher Unterstützung."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel