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Kfz-Steuerreform absurd: Halter PS-starker Diesel-Geländewagen zahlen künftig weniger

Archivmeldung vom 14.01.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das vom Bundeskabinett im Rahmen des Konjunkturprogramms verabschiedete Konzept für eine CO2-basierte Kfz-Steuer bringt keinen Fortschritt für den Klimaschutz und erhöht voraussichtlich sogar die Luftschadstoffbelastung durch den Pkw-Verkehr.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nannte die Beschlüsse der Regierung "eine reine Absatzförderung für die derzeitigen Ladenhüter der deutschen Automobilindustrie". Hauptgrund sei das "unübersehbare Motiv der Koalition, den vor allem von deutschen Herstellern produzierten schweren Diesel-Limousinen und SUVs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Gleichzeitig verzichtet die Bundesregierung im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten auf jegliche Anreize für besonders saubere beziehungsweise CO2-reduzierte Antriebstechnologien wie Hybrid, Gas- oder Elektrofahrzeuge". Diesel-Pkw seien aber wegen ihrer hohen und gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen auch heute noch um ein Vielfaches schmutziger als Benzin-Pkw. Zudem würden immer noch knapp 10 Prozent der Diesel-Neuwagen ohne geregelten Partikelfilter angeboten. Durch die vor allem im Dieselsegment in den vergangenen Jahren vorangetriebene Übermotorisierung habe sich bei den verkauften Pkw in jüngster Zeit sogar der frühere Vorteil bei den CO2-Emissionen insgesamt in sein Gegenteil verkehrt.

Die Regierung hatte einen einheitlichen, CO2-basierten Steuersatz von zwei Euro pro Gramm CO2 über die gesamte Pkw-Palette beschlossen, der bei einem Grenzwert von 120 Gramm CO2 pro Kilometer auf einem "Sockelbetrag" aufsetzt. Zur Höhe und gegebenenfalls Differenzierung dieses "Sockelbetrages" nach Benzin- und Dieselmotoren gibt es nach Informationen der DUH noch keine Einigung in der Bundesregierung. Das zentrale Problem: Wird der Sockelbetrag für Dieselmotoren gegenüber Benzinern erheblich angehoben, steigt ausgerechnet die Steuer für dieselgetriebene Kleinwagen stark an und damit für die einzigen Spritsparmodelle der deutschen Autobauer. Resch: "Die Koalitionsrunde hat sich am Montag mit einem untauglichen Konzept in eine Sackgasse manövriert, aus der sie nur durch eine grundsätzliche Revision der bisherigen Festlegungen wieder herausfinden kann."

Die Deutsche Umwelthilfe hat die Auswirkungen des Koalitionskonzepts auf Basis eines insbesondere aus der Union in den vergangenen Tagen ins Spiel gebrachten für Diesel- und Benzin-Pkws einheitlichen Sockelbetrags von 50 Euro bis zu einem CO2-Ausstoß von 120 Gramm CO2 pro Kilometer (g CO2/km) für eine Reihe ausgewählter Pkw ermittelt (s. Tabelle am Ende dieser Mitteilung). Ergebnis: Für wirklich umwelt- und klimafreundliche Fahrzeuge entwickelt eine derartige Kfz-Steuer keine oder allenfalls eine symbolische Anreizwirkung: So betrüge auf dieser Basis die Kfz-Steuersenkung für die beiden Spitzenreiter der aktuellen Auto-Umweltliste des Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Hybrid-Modelle Toyota Prius und Honda Civic, 51 beziehungsweise 45 Euro pro Jahr. Das einzige deutsche Modell unter den Top Ten der VCD-Liste, der Smart Fortwo coupé mhd würde um ganze 17 Euro pro Jahr entlastet. Der Halter eines Citroen C2 1.1 Avance müsste sogar mit einer kleinen Steuererhöhung um 5 Euro pro Jahr rechnen.

Gewinner der Operation wären nach den DUH-Berechnungen auf Basis eines einheitlich ausgestalteten Sockelbetrages ausgerechnet die dieselgetriebenen Edel-Geländewagen, deren Siegeszug erst zu der Debatte über eine Umstellung der Kfz-Besteuerung auf CO2-Basis geführt hatte und die in praktisch allen anderen europäischen Ländern mit hohen Strafsteuern erfolgreich zurückgedrängt wurden. Das absurde Signal der Reform: Je mehr PS, je höher die Beschleunigung und Spitzengeschwindigkeit, umso größer fällt die Entlastung bei der Steuer aus. Absoluter Gewinner der Kfz-Steuerreform wäre der seit wenigen Tagen ausgelieferte stärkste Serien-Diesel-Pkw der Welt, der "Monster-SUV" Audi Q7 mit 12-Zylinder Dieselmotor und 500 PS Leistung. Seine Kfz-Steuer würde von 926 Euro auf ganze 406 Euro, also um 520 Euro pro Jahr sinken. Auch der 313 PS starke VW Touareg V10 TDI käme mit einer Steuersenkung in Höhe von 332 Euro pro Jahr bestens davon, der Halter eines 240 PS-Touareg V6 TDI erhielte eine Steuervergünstigung von 161 Euro.

"Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland Dieselkraftstoff weiter steuerlich begünstigt wird, muss die Kfz-Steuer diesen Umstand berücksichtigen und für Diesel-Pkw wie bisher auch einen deutlich höheren, ebenfalls am CO2-Ausstoß orientierten Steuersatz vorsehen. Sockelbeträge belasten, egal wie sie ausgestaltet werden, ausgerechnet die effizienten Fahrzeuge und begünstigen die Klimakiller-Pkw", so Resch.

Die Umsetzung des Koalitionskonzepts würde bei Beibehaltung des Sockelkonzepts - einheitliche Besteuerung bis zu einem CO2-Wert von 120 g CO2/km - zudem auf jede Lenkungswirkung unterhalb dieser Grenze verzichten. "Warum sollte ein Autohersteller Mühen in die Entwicklung von Pkw mit einem Ausstoß 100, 90 oder 80 g CO2/km investieren, wenn dies keinen Gewinn mehr bei der Besteuerung oder sonstigen Anreizen bringt?", fragte Resch. In anderen europäischen Staaten würden bei der Anschaffung besonders schadstoffarmer und CO2-reduzierter Fahrzeuge bis zu mehrere tausend Euro Zuschuss gewährt, die zudem nicht vom Steuerzahler, sondern von den Haltern besonders klimaschädlicher Fahrzeuge aufgebracht werden müssen.

Der DUH-Geschäftsführer forderte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, diesem Konzept für den Automobilsektor nicht zuzustimmen und es dahingehend zu überarbeiten, dass es "eine für Klimaschutz und Luftreinhaltung positive Wirkung entfaltet. Nur so wäre der Automobilindustrie auch langfristig geholfen." Auch die beschlossene undifferenzierte Kaufprämie für Neufahrzeuge, die völlig zu Unrecht als "Umweltprämie" tituliert werde, müsse grundsätzlich überarbeitet werden. Die DUH werde am Freitag aufzeigen, wie andere EU-Staaten konjunkturelle Impulse mit Klimaschutz im Automobilbereich verbinden und eigene konkrete Nachbesserungsvorschläge unterbreiten, kündigte Resch an.

Quelle: DUH

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