Hans-Jürgen Papier verwundert über "Schafsgeduld" der Deutschen beim Soli
Archivmeldung vom 27.12.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.12.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat die Bundesregierung des Wortbruchs bezichtigt. Papier sagte gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post", durch das Festhalten von Union und SPD am Solidaritätszuschlag werde Vertrauen in die Politik erschüttert.
Er wundere sich hin und wieder über "die Schafsgeduld" der Deutschen und sei überrascht, wie mehr oder minder lautlos der Wortbruch beim "Soli" hingenommen werde. Der Münchner Staatsrechtler, der zehn Jahre lang an der Spitze des höchsten deutschen Gerichts stand, bezeichnete den Vertrauensverlust in Politik und Parlamentarismus als besorgniserregend. Das gehe auf Dauer an die Grundfesten der Demokratie.
Schäuble hält Erbschaftssteuer und Soli für unverzichtbar
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht keine Möglichkeit, auf Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und der Erbschaftssteuer zu verzichten. In einem Interview mit "Bild" sagte Schäuble mit Blick auf den Soli: "Mehr als ein Drittel des Bundeshaushalts ist Zuschuss zur Renten- und Krankenversicherung. Außerdem leistet der Bund weiterhin Erhebliches für die ostdeutschen Länder. Wenn wir künftig die Aufgaben unseres Staates insgesamt - in Bund, Ländern und Gemeinden - angemessen finanzieren wollen, können wir die Gesamteinnahmen des Staates nicht drastisch verringern." Gleichwohl sei eine Tilgung von Schulden des Bundes auf absehbare Zeit jedoch kein Thema, sagte Schäuble der "Bild". "Mit dem Haushalt 2015 habe ich die Schuldenuhr angehalten. Wenn die Wirtschaft weiter wächst, sinkt der Anteil der Schulden im Vergleich zum Bruttosozialprodukt. Solange wir aber wichtige Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur vorhaben, ist das Geld dort besser angelegt als bei der Schuldentilgung. Deshalb wird die Uhr so schnell nicht rückwärts laufen."
Die Beibehaltung der Erbschaftssteuer ist für Schäuble vor allem eine Frage der fairen Lastenverteilung in der Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht hatte erst kürzlich die Ausnahmeregelungen bei der Vererbung von Unternehmen kritisiert. Schäuble wörtlich in der "Bild": "Gekippt wurde nicht die Steuer, sondern einige Sonderregelungen. Wir haben in Deutschland keine Vermögenssteuer, wir haben international eher mäßige Unternehmenssteuern und liegen auch bei der Einkommenssteuer im Mittelfeld. Gleichzeitig wird der Abstand zwischen `sehr arm` und `sehr reich` größer. Deshalb finde ich es für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig, richtig und fair, dass sich auch diejenigen angemessen beteiligen, denen es sehr gut geht. Das leistet die Erbschaftsteuer. Wir müssen nur Sorge tragen, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen, wenn Unternehmen vererbt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt. Einzelheiten werden wir so ändern, wie es das Verfassungsgericht verlangt hat."
Quelle: Rheinische Post (ots) / dts Nachrichtenagentur