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Herzog: Politisches System erreicht die Menschen nicht mehr

Archivmeldung vom 04.06.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.06.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Roman Herzog Bild: KASonline, on Flickr CC BY-SA 2.0
Roman Herzog Bild: KASonline, on Flickr CC BY-SA 2.0

Alt-Bundespräsident Roman Herzog hat sich besorgt über den aktuellen Zustand der deutschen Politik geäußert. "Deutschland ist bei der Entwicklung seiner Demokratie ins Hintertreffen geraten. Damit müssten sich unser Land und seine Politiker deutlicher auseinandersetzen", sagte Herzog in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". "Sie haben mit Konzepten, die sich "asymmetrische Demobilisierung" nennen, dazu beigetragen, dass sich zu viele Menschen von der Politik abgewendet haben. Wer eine sinkende Wahlbeteiligung für seinen eigenen Erfolg in Kauf nimmt, bekommt irgendwann die Retourkutsche."

Das Gespür der Bürger für Demokratie und Rechtsstaat muss nach den Worten von Herzog weiter entwickelt werden. Zu viele Menschen wendeten sich von unserem System ab, sagte der 82-Jährige. "Oder genauer ausgedrückt: Das politische System erreicht die Menschen nicht mehr." Zwischen dem Volk und der Politik lasse sich eine zunehmende Entfremdung feststellen – "und dafür trägt das Establishment der Alt-Parteien eine große Verantwortung", sagte Herzog. "Es werden zu viele Sorgen einfach ignoriert. Ich habe deshalb schon lange damit gerechnet, dass die Zustimmung für die großen Parteien insgesamt sinkt. Sie haben sich um zu viele Probleme, die die Menschen vor Ort bedrücken, nicht gekümmert."

Als Beispiel nannte Herzog gescheiterte Integration, die niedrige Aufklärungsquote von Wohnungseinbrüchen oder "die Tatsache, dass die Völker Europas und der EU-Apparat in Brüssel unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie haben".

Herzog beklagte auch den mangelnden Reformwillen: "Ich habe den Eindruck, dass Deutschland sich zu sehr ausruht, und zwar nicht nur die Regierenden, sondern auch die große Mehrheit der `einfachen` Bürger." Auch der einst von ihm geprägte Begriff Rentnerdemokratie sei nach wie vor aktuell. "Nach der letzten Bundestagswahl wurde bei guter Kassenlage gleich die Rente mit 63 eingeführt, obwohl jeder wissen kann, dass wir die Lebensarbeitszeit in Zukunft verlängern müssen. Und für 2017 bahnen sich ähnliche Versprechen zugunsten der Rentner an. Das macht mir Sorgen. Wir tun nicht genug, um unseren Wohlstand auch in Zukunft zu sichern."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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