Ostbeauftragte gibt Studie zu Fremdenfeindlichkeit in Auftrag
Archivmeldung vom 23.02.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), lässt das Ausmaß rechter Umtriebe in Ostdeutschland wissenschaftlich untersuchen. Hintergrund ist die Sorge Gleickes, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nicht nur den sozialen Frieden bedrohten, sondern auch den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland: Das gelte ja nicht nur für den Fremdenverkehr, sagte die SPD-Politikerin dem "Handelsblatt".
"Es ist ein Irrsinn, dass Positionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und im kulturellen Bereich nicht besetzt werden können, weil die Wunschkandidaten nicht nach Ostdeutschland ziehen wollen." Man müsse das so deutlich sagen, so Gleicke, weil moralische Appelle bei manchen Leuten offenbar nicht verfingen. "Denen muss man klar machen: Die Rechtsextremisten und Ausländerhasser versauen nicht nur unseren Ruf. Die sägen auch an dem Ast, auf dem wir alle sitzen." Den Zuschlag für die geplante Studie mit dem Arbeitstitel "Rechtsextreme Strukturen und Agitationsformen im ländlichen Raum Ostdeutschlands" erhielt das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, dem die Ostbeauftragte zugeordnet ist, sollen die Experten nun die Rolle von Bürgerwehren, sogenannten Reichsbürgern, völkischen Siedlern und völkisch-esoterischen Gruppierungen analysieren.
Ein Augenmerk soll zudem auf die seit zwei Jahren verstärkt zu beobachtende rechte Protestkultur gelegt werden, die besonders mit der Pegida-Bewegung in Erscheinung tritt. Die AfD dürfte in der Studie wohl ebenfalls eine Rolle spielen, auch wenn sie im Untersuchungsauftrag des Ministeriums nicht explizit erwähnt wird, schreibt das "Handelsblatt". Dort sei von "aktuellen Entwicklungen" die Rede, die ebenfalls in den Blick genommen werden sollen. Etwa die "Mobilisierung von Rechtspopulisten, Rechtsextremen und Rechtsradikalen im Kontext der Aufnahme von Geflüchteten", aber auch rechte Propaganda und Agitation in sozialen Netzwerken.
Gleicke will wissen, wie sich diese Entwicklungen auf die Etablierung rechter Strukturen im ländlichen Raum auswirken. Nach Auswertung der Erkenntnisse will die SPD-Politikerin Handlungsstrategien empfehlen. Der Schlussbericht der Untersuchung soll im März 2018 vorgelegt werden, ein erster Zwischenbericht wird schon im Mai erwartet.
Der Sprecher der ostdeutschen Abgeordneten der Unions-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz (CDU), teilt die Sorge der Ost-Beauftragten, von einem wissenschaftlichen Gutachten hält er aber wenig. Es sei zwar richtig, dass jede Form von Radikalismus "verheerende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland" haben könne. "Wir brauchen aber keine neuen Studien, wir haben schon zentnerweise Papier", sagte Vaatz dem "Handelsblatt". Die Probleme seien lange bekannt. Was aus seiner Sicht fehle, sei etwa "eine vernünftige Ansprache an die jungen Leute, damit sie nicht Opfer von rechten und sonstigen Rattenfängern werden". Die allgemeine Radikalisierung und das Erstarken der AfD wertet Vaatz indes als "Alarmsignal". Diese Entwicklungen würden sich jedoch nicht ohne weiteres eindämmen lassen. "Es muss klar werden, dass die AfD eine Gruppierung ohne politische Konzepte ist, die nur auf Emotionen setzt und dies keine Grundlage für eine tragfähige Wirtschaftspolitik sein kann."
Quelle: dts Nachrichtenagentur