Künast wirft Bundespräsidenten parteiisches Verhalten vor
Archivmeldung vom 13.03.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin "parteiisches Verhalten" zugunsten seiner "Lieblingskoalition" von Union und FDP wirft die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, dem Bundespräsidenten vor.
In einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) sagte Künast angesichts des anhaltenden Schweigens von Horst Köhler zu den in Deutschland ablaufenden politischen Diskussionsprozessen um den Sozialstaat, um Amtsmissbrauch oder um Kindesmissbrauch: "Immer wenn ich am Schloss Bellevue vorbeikomme, dem Amtssitz, und sehe, dass oben die Fahne weht, weiß ich, er ist in Deutschland, der Bundespräsident. Und dann frage ich mich jedes Mal: Aber wo mag er sein in Deutschland?"
Sie forderte von Köhler eine Grundsatzrede. "In dieser Debatte um Hartz IV, dieser abwertenden Debatte, die Guido Westerwelle angezündet hat, ohne uns nach vorne zu bringen, wäre der Bundespräsident gut beraten gewesen, ein ruhiges und systematisches Wort zu sprechen. Ich halte ihn an der Stelle für parteiisch", sagte die Grünen-Politikerin. "Er versucht sich aus seiner, glaube ich, Lieblingskonstellation von Regierung rauszuhalten." Das überrasche sie aber nicht.
Die Politikerin erinnerte an das Verhalten des Staatsoberhauptes am Tag seiner Wiederwahl, als es danach eine Festveranstaltung vor dem Brandenburger Tor gegeben habe. "Wer hat, gezielt und organisiert, sich gesetzt zwischen Guido Westerwelle, Herrn Mronz, Frau Merkel und Herrn Sauer? Er, der Bundespräsident mit seiner Frau. Und das war das Amtsverständnis dieser Legislaturperiode von Horst Köhler. Ein unmöglicher Vorgang, weil er genau damit sagte, ich bin deren Präsident und nicht der Präsident aller Deutschen. Und genau das tut er jetzt auch", so kritisierte Künast. Schließlich machten sich die jetzt Regierenden "den Staat zur Beute".
In diesem Zusammenhang übte Künast erneut scharfe Kritik an Bundesaußenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle. Während seiner Südamerika-Reise habe er so getan als sei er der Entdecker Christoph Kolumbus, dem es gelungen sei, Brasilien und anderes Neue zu entdecken. "Ich stelle fest, Westerwelle ist nicht Kolumbus, er ist kein Neuentdecker, auch wenn er uns das erzählen will." Dafür habe er auf seine Antrittsreise als Minister in die Türkei die türkischstämmige Künstlerin Nurten Schlinkert mitgenommen, die Ehefrau des Politikforschers Reinhard Schlinkert, nur weil er eine alte Wettschuld habe einlösen wollen. "Kein Mensch" glaube dem Vizekanzler, dass die Begleiter auf seinen Dienstreisen nach den "Interessen Deutschlands" ausgewählt würden. "Keiner hat wie er derartig gezielt sich darauf konzentriert, die mitzunehmen oder nur die mitzunehmen, die große Parteispenden geleistet haben", meinte Frau Künast. Mit Blick auf die Debatte um die Südamerika-Mitreise seines Lebenspartners und Geschäftsmannes Michael Mrontz meinte die Grünen-Politikerin, wenn es nach den Regeln gehe, könne jeder mitnehmen, wen er wolle. Entscheidender Kritikpunkt sei die Tatsache, dass Vizekanzler Westerwelle vor der Reise in Bonn ein Hotel eröffnet habe, deren Eröffnungsveranstaltung von Geschäftsmann Mronz organisiert worden sei. "Dann erzählt er uns noch, er sei sozusagen als zweite Person dort. Nein. Wer einen Amtseid im Deutschen Bundestag leistet, ist 24 Stunden am Tag Bundesminister."
Tatsächlich sei Deutschland aber zurzeit "ein Land ohne Außenminister", meinte Frau Künast. "Die Aufgaben, die deutschen Interessen werden nicht wahrgenommen - weder in der Afghanistanpolitik noch bei den wirtschaftlichen Interessen in Kontakt mit Südamerika zum Beispiel. Ich sehe nirgendwo etwas. Insofern ist er ein Totalausfall und er schadet Deutschland."
Quelle: Leipziger Volkszeitung