Kinderärzte gegen Schulschließungen durch Notbremse
Archivmeldung vom 21.04.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Kinder- und Jugendärzte haben die im Rahmen der Bundes-Notbremse vorgesehenen Schulschließungen kritisiert. "Wenn Kinder und Jugendliche immer wieder in den Bildungs-Lockdown geschickt werden, wird ein Schaden angerichtet, der nicht wieder zu heilen ist", sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
"Das Offenhalten der Schulen ist unabdingbare Voraussetzung für das Kindeswohl", sagte er. Die Vermittlung von Wissen könne vielleicht später noch nachgeholt werden, argumentierte Fischbach. "Doch es geht in der Schule auch um die Persönlichkeits- und Sozialentwicklung junger Menschen, die in festen Zeitfenstern verläuft. Was hier durch soziale Isolation verpasst wird, lässt sich später nicht mehr einfach nachholen", beklagte er.
Darüber sei sich die Politik offensichtlich nicht ansatzweise im Klaren. "Das ist aber auch kein Wunder, wenn die Fachleute nicht gefragt werden", kritisierte er. "Die Koalition hat die Notbremse durch die Absenkung des Schwellenwertes für Schulschließungen massiv verschlimmbessert", beklagte der Verbandspräsident. Trete sie in Kraft, müssten bundesweit in fast der Hälfte aller Landkreise die Schulen geschlossen werden. Die seelischen und körperlichen Nebenwirkungen fehlender sozialer Kontakte und mangelnder Bewegungsmöglichkeiten durch Schulschließungen sei
en jedoch bereits unübersehbar, so der Kinderarzt. "Wir erleben in unseren Praxen Vereinsamung, Depressionen, aggressives Verhalten und eine Zunahme von Fettleibigkeit", berichtete er.
"Wir müssen die Schulen offen halten - natürlich unter Beachtung von Schutzkonzepten, die zum Beispiel feste Gruppen, Wechselunterricht, gestaffelte Anfangszeiten und regelmäßiges Lüften vorsehen", forderte der Verbandschef. Man sehe in den Praxen, dass sich Kinder zumeist innerhalb ihrer Familien ansteckten, oftmals bei Eltern oder weiteren Verwandten.
"Die Schulen sind keine Treiber der Pandemie", sagte Fischbach. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Änderungen am Infektionsschutzgesetz hingegen für nicht ausreichend, um Lehrer und Schüler in der Corona-Pandemie gut zu schützen, und pocht auf Fernunterricht ab Inzidenzwert 100. "Der jetzt geplante Inzidenzwert von 165, ab dem Schulen auf Fernunterricht umstellen sollen, ist immer noch zu hoch", sagte GEW-Chefin Marlis Tepe dem RND. Lehrkräfte, Schüler sowie deren Eltern würden damit Risiken ausgesetzt, die die Politik in anderen Teilen der Gesellschaft nicht für akzeptabel halte. "Die GEW setzt sich deshalb weiterhin dafür ein, dass Schulen ab einem Wert von 100 auf Fernunterricht umschalten und Kitas geschlossen werden."
Nur so sei der Gesundheitsschutz für Lehrkräfte, Kita-Fachkräfte, Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern zu sichern. Wer das - grundsätzlich richtige - Ziel verfolge, Schulen und Kitas so lange wie möglich offen zu halten, müsse dafür die Voraussetzungen schaffen und den Gesundheitsschutz aller Beteiligten sicherstellen, so die Gewerkschaftschefin. "Dies ist gut ein Jahr nach Beginn der Pandemie immer noch nicht geschehen", kritisierte sie. "Es gibt keine alltagstaugliche, stringente Teststrategie, die Impfung der an Schule und Kitas Beschäftigten geht im Schneckentempo voran." Luftfilter für Klassen- und Gruppenräume seien bis heute die Ausnahme, so Tepe. Weiterhin fehle flächendeckendes WLAN, Lehrer wie Schüler seien vielfach nicht mit digitalen Endgeräten ausgestattet, "ganz zu schweigen von der Einstellung der dringend benötigten IT-Fachleute", führte sie aus. "Das A und O bleibt die schnelle und deutliche Erhöhung des Impftempos", sagte die GEW-Chefin. "Dafür müssen alle Lehrkräfte und weitere im Bildungsbereich Beschäftigte in die Impfgruppe 2 aufgenommen werden", forderte Tepe. Nur Impfungen böten einen hohen Schutz für alle Menschen in Schulen, Kitas, Hochschulen und der Erwachsenenbildung.
Quelle: dts Nachrichtenagentur