Lafontaine: Habe die Einheitseuphorie unterschätzt
Archivmeldung vom 29.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt20 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik hat der damalige Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine, Fehleinschätzungen im Jahr der Wiedervereinigung eingeräumt. "Ich habe die Einheitseuphorie unterschätzt, das rationale Argument schlichtweg überschätzt", sagte Lafontaine der Saarbrücker Zeitung.
Im Nachhinein treffe das Urteil zu, dass er damals der falsche Kanzlerkandidat der SPD gewesen sei. Lafontaine bezeichnete aber die Aussage, er sei gegen die Einheit gewesen, als ,,grundfalsch". Zur europäischen Einigung gehöre auch die deutsche Einigung. Im Vordergrund habe für ihn aber die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gestanden. Lafontaine äußerte die Vermutung, dass der Einigungsprozess anders gelaufen wäre, wenn im Jahr 1990 keine Bundestagswahlen angestanden hätten. "Die Versuchung der Regierung Kohl, durch die Einführung der D-Mark zum Kurs von 1:1 die Wahl zu gewinnen, war groß - und erfolgreich." So seien die Mahnungen von Fachleuten gegen diese Form der Währungsumstellung in den Wind geschrieben worden. Lafontaine sagte, er freue sich nach 20 Jahren Einheit, "dass die Menschen in Ostdeutschland frei reden und reisen können und dass es für viele einen Zugewinn an Wohlstand gibt. Dagegen bedauere ich die hohe Arbeitslosigkeit, die große Zahl von Hartz-IV-Empfängern im Osten und jene Menschen, deren Biografie entwertet worden ist. Und dass die Chance vertan wurde, die Wirtschaft in Ostdeutschland zu demokratisieren". 1990 habe es "historisch einmalige Gestaltungsmöglichkeiten" der Politik gegeben. Den Menschen, so Lafontaine, könnte es heute besser gehen, wenn mit der Währungsumstellung zum Kurs 1:1 nicht hohe Arbeitslosigkeit im Osten verursacht, das Volksvermögen zumindest teilweise in Belegschaftsvermögen umgewandelt worden wäre und "die Treuhandanstalt nicht das Vermögen der Ostdeutschen an westdeutsche Betriebe verschleudert" hätte.
Quelle: Saarbrücker Zeitung