Baum erwägt Verfassungsklage gegen "Spähangriff"
Archivmeldung vom 18.04.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer FDP-Politiker Gerhart Baum erwägt eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Befugnis des Bundeskriminalamts (BKA), in Wohnungen Überwachungskameras zu platzieren.
Sollte das Parlament dem Gesetzentwurf, wie auf der Innenministerkonferenz in Bad Saarow beschlossen, zustimmen, werde er erneut vor Gericht ziehen, "um die von uns erstrittenen Entscheidungen zum Schutz der Privatsphäre gegen den Angriff des Gesetzgebers zu verteidigen". Das Karlsruher Gericht habe einen Kernbereich privater Lebensgestaltung definiert, der von Datenzugriffen absolut geschützt sein soll. "Durch die geplanten Maßnahmen zur Videoüberwachung auch in Wohnungen Nichtverdächtiger ist dieser Schutz nicht gewährleistet", sagte der frühere Bundesinnenminister am Freitag dem Tagesspiegel in Berlin. Der Gesetzgeber müsse sich fragen, "ob die Einbuße an Freiheit in einem angemessenen Verhältnis zum Gewinn an Sicherheit" stehe. Er sehe in dem Entwurf zur Ausweitung der BKA-Befugnisse einen "weiteren Schritt auf der Rutschbahn der sicherheitspolitischen Aufrüstung in den Präventivstaat zu Lasten der Freiheit".
Datenschutzbeauftragter hält Kameraüberwachung für unzulässig
Der Sprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Dietmar Müller, hat die in der Reform des BKA-Gesetzes vorgesehene Anbringung von Kameras in Wohnungen von Verdächtigen kritisiert. "Das ist eine neue Qualität und im Ergebnis nicht zulässig", sagte Müller dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag-Ausgabe). Der Bundesbeauftragte Peter Schaar be¬fin¬det sich zur Zeit im Urlaub. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, verteidigte den Gesetzentwurf hingegen. "Die Möglichkeit der optischen Wohnraumüberwachung steht im Grundgesetz", sagte er der Zeitung. "Das steht auch in den Polizeigesetzen von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Das ist nichts Neues. Es wird nur ganz gezielt und irreführend von Teilen der SPD als Neuigkeit aufgebauscht. Das ist unerträglich."
Bosbach kritisiert geplante Spähangriffe auf unbescholtene Bürger
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hält so genannte Spähangriffe auf die Wohnungen unbescholtener Bürger eigenen Angaben zufolge für äußerst fragwürdig. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gewollt ist und Gesetz werden soll", sagte er der "Westdeutschen Zeitung" (Samstag/Düsseldorf) mit Blick auf das geplante BKA-Gesetz.
Dass Unbeteiligte bei Abhörmaßnahmen betroffen sein könnten, sei zwar nicht neu. "Wenn sich ein Verdächtiger telefonisch eine Pizza bestellt, dann ist der Pizza-Bäcker zeitlich befristet betroffen, wenn das Telefonat abgehört wird", sagte Bosbach. "Etwas ganz anderes ist es, wenn ich in die Wohnung eines Unbescholtenen eindringe und dort Wanzen oder Kameras installiere und den Raum auch dann überwache, wenn sich die Verdächtigen gar nicht dort aufhalten."
Im Prinzip begrüßte Bosbach allerdings die geplante Ausweitung der BKA-Befugnisse, sofern sie sich unmittelbar auf Verdächtige bezieht. "Neben der akustischen ist eine optische Wohnraumüberwachung Verdächtiger notwendig, um Aussagen, die getroffen werden, den jeweiligen Personen zweifelsfrei zuordnen zu können", sagte er. Allerdings müsse der Kernbereich privater Lebensgestaltung für den Staat prinzipiell tabu bleiben. "Wenn es intim wird und die Informationen nicht mehr der Verhinderung gefährlicher Verbrechen dienen, müssen die Behörden auf den Aus-Knopf drücken."
Bosbach sprach sich für eine so genannte Richterband-Regelung aus: "Wenn in einem Raum links gebetet wird und rechts wird an einer Bombe gebastelt, dann geht es hier nicht mehr darum, den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen. Dann muss ein Richter entscheiden, was verwertet wird und was nicht."
Quelle: Der Tagesspiegel / Kölner Stadt-Anzeiger / Westdeutsche Zeitung