Thüringens Stasi-Beauftragte lehnt Entscheidung der Böhmer-Kommission ab
Archivmeldung vom 13.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittThüringens ehemalige Stasi-Landesbeauftragte Hildigund Neubert (CDU) lehnt die Empfehlungen der Experten-Kommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde ab und vermutet dahinter parteipolitische Motive. "Damit wird diese europaweit anerkannte Institution abgeschafft - in einer Zeit, in der um die Demokratie neu gerungen werden muss. Das ist der falsche Zeitpunkt dafür", sagte sie der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" mit Blick auf die Empfehlungen.
"Zudem gibt es keine praktischen Vorschläge für die zukünftige Arbeit der Behörde. Vielmehr würde der Vorschlag, sie innerhalb von fünf Jahren abzuwickeln, die totale Blockade bedeuten. Damit wäre die Alltagsarbeit beendet, weil man sich auf die Umstellung vorbereiten müsste." Neubert fügte hinzu: "Es lief von Anfang an auf die Abschaffung hinaus. Und da muss man doch mal fragen: Wem nützt das? Ich vermute eine politische Absicht, die auf das rot-rot-grüne Thüringer Modell hinaus läuft. Da sollen Koalitionshindernisse beseitigt werden. In Berlin, im Bund, in anderen Ländern. Das ist die Botschaft, die dahinter steht: Es war doch alles gar nicht so schlimm. Es war doch alles ganz normal. Das halte ich für unangemessen." Sie zeigte sich aber "relativ sicher, dass der Bundestag dem nicht folgen wird. Denn es ist erkennbar, dass das ein politisch schwerer Fehler wäre." Neubert gehörte der Experten-Kommission an und sagte als einziges von 14 Mitgliedern Nein zu den Empfehlungen. Die Kommission empfiehlt unter anderem, die Stasi-Akten bis 2021 in die Hoheit des Bundesarchivs zu überführen.
Große Koalition will Vorschlägen der Stasi-Kommission offenbar folgen
Die Große Koalition will sich die Vorschläge der Experten-Kommission des Bundestages zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde zu Eigen machen und noch in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz verabschieden; im Sommer soll zudem der Stasi-Unterlagenbeauftragte Roland Jahn für eine zweite Amtszeit gewählt werden. "Wir wollen uns in der Koalition noch vor der Sommerpause auf Eckpunkte eines Gesetzentwurfs verständigen - auf der Grundlage des Kommissions-Berichts. Vieles von dem, was sie aufgeschrieben hat, geht in die richtige Richtung", sagte der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz, der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe). "Die Gesetzgebung sollte im Herbst folgen." Das sei in der Koalition vereinbart. Er fuhr fort: "Teil der Vereinbarung in der Koalition ist, dass Roland Jahn wieder gewählt wird, bevor das Gesetzgebungsverfahren beginnt." Die SPD hatte es abgelehnt, Jahn wieder zu wählen, bevor die Empfehlungen auf dem Tisch liegen und klar ist, was daraus wird. Der kultur- und medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörmann, erklärte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Es gibt eine sehr große Übereinstimmung zwischen unseren Vorstellungen und den Empfehlungen der Kommission. Ich gehe davon aus, dass wir uns bei den parlamentarischen Beratungen darauf stützen werden." Die Kommission empfiehlt unter anderem, die Stasi-Akten bis 2021 in die Hoheit des Bundesarchivs zu überführen.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung (ots)