Versammlungsrecht: Vorstoß stößt parteiübergreifend auf Ablehnung
Archivmeldung vom 01.09.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttTrotz der Eskalation der Corona-Demonstrationen am vergangenen Samstag wenden sich Politiker parteiübergreifend gegen eine Änderung des Versammlungsrechts. "Ich glaube, dass der bestehende rechtliche Rahmen vollkommen ausreicht, um die hohen Rechtsgüter der Gesundheit und der Versammlungsfreiheit in einen guten Ausgleich zu bringen auch in Zeiten einer Pandemie", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der "Welt".
"Ich rate sehr davon ab, jetzt eine Diskussion um die gesetzliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit anzufangen." Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, sagte: "Nach der Demonstration in Berlin, bei der Abstands- und Hygieneregeln verletzt wurden und Rechtsradikale bis auf die Reichstagstreppe gelangt sind, sollte man sich mit Forderungen nach einer Änderung des Versammlungsrechts zurückhalten. Das Durchbrechen der Absperrung vor dem Reichstagsgebäude ist nicht auf eine rechtliche Lücke zurückzuführen, sondern liegt an einem mangelhaften Sicherheitskonzept."
Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster hatte Änderungen des Versammlungsrechts gefordert.
"Die Gesetze sind in Anbetracht der Pandemie-Lage nicht mehr präzise und zeitgemäß genug. Es muss möglich sein, eine Demonstration verbieten zu können, wenn eine Versammlung offensichtlich nur dazu dient, mit Ordnungsverstößen wie dem Nichteinhalten der Corona-Regeln zu provozieren", sagte er. Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke hält das Demonstrationsrecht in seiner jetzigen Form ohnehin schon für zu eng gefasst. "Wenn der Kollege Schuster von Präzisierung des Demonstrationsrechts spricht, dann zielt er damit wohl auf eine weitere Einschränkung dieses Grundrechts ab. Dafür sehe ich absolut keinen Bedarf im Gegenteil."
Auch der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), widerspricht Schuster: "Wenn schon abzusehen ist, dass Abstands- und Hygieneregeln missachtet werden und Polizisten sich bei einer Demo-Auflösung großen Gefahren aussetzen, dann geht schon nach heutigem Recht ein vorheriges Verbot."
Aus Krings Sicht wurde das Verbot in Berlin nicht gut genug durchargumentiert: "Das muss die Verwaltung natürlich stichhaltig begründen. Die Entscheidungen von zwei Berliner Gerichten alleine rechtfertigen noch keine Grundgesetzänderung." Statt das Versammlungsrecht zu ändern, solle vielmehr das Strafrecht verschärft werden, meint der CDU-Politiker. "Was wir jetzt unmittelbar tun können, ist die Wiedereinführung des von Rot/Grün 1999 verwässerten Bannmeilengesetzes, einschließlich des Straftatbestands der Bannkreisverletzung." Die Würde des Parlaments gebiete es, dass Aufmärsche von Radikalen auf den Stufen des Reichstages wieder in jedem Falle strafbewehrt seien, unabhängig davon, ob drinnen gerade eine Sitzung stattfinde.
Quelle: dts Nachrichtenagentur