Deutschlandstipendium stottert
Archivmeldung vom 26.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundesbildungsministerin Schavan wollte endlich auch in Deutschland "eine Stipendienkultur aufbauen" und jungen Menschen mit 300 Euro monatlich "den Rücken stärken". Staat und Wirtschaft gemeinsam sollten so die deutsche Position im "internationalen Wettbewerb um kluge Köpfe verbessern". Mittelfristig werde jeder zehnte Student in den Genuss eines Stipendiums kommen, so die Ministerin. Doch auch ein Jahr nach Inkrafttreten des Nationalen Stipendienprogramms haben etliche Hochschulen keine privaten Fördermittel eingeworben. Viele norddeutsche Hochschulen starten nach Informationen von NDR Info ohne die Vergabe eines einzigen Deutschlandstipendiums ins Wintersemester. Dadurch verfallen auch die Mittel des Bundes.
In Hamburg nehmen die drei größten Hochschulen mit zusammen rund 55.000 Studenten am Deutschlandstipendium nicht teil. Der Kanzler der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Bernd Klöver, nennt das Gesetz auf NDR Info ein "bürokratisches Monster".
Von einem "Programm für Baden-Württemberg, aber nicht fürs strukturschwache Schleswig-Holstein", spricht der Präsident der Fachhochschule Kiel, Prof. Udo Beer. Wie Kiel dürfte auch die FH Flensburg mangels privater Sponsoren ohne Deutschlandstipendium ins Wintersemester starten. Die Universitäten in Flensburg und Lübeck haben sich entschieden, am Programm erst gar nicht teilzunehmen. Die Universität Kiel beschäftigt eigens einen Mitarbeiter zur Spendeneinwerbung. Dennoch rechnet die Universität damit, dass sie nur zwei Drittel der möglichen Stipendienplätze vergeben kann. In Mecklenburg-Vorpommern konnte die Universität Rostock für ihre rund 15.000 Studenten bislang private Gelder für nur 36 Stipendien einwerben, die fast ebenso große Uni Greifswald nur für 31 Plätze.
Für die Vergabe eines Deutschlandstipendiums müssen die Hochschulen Gelder bei privaten Sponsoren einwerben, nur dann beteiligt sich der Bund in gleicher Höhe. Das Stipendium in Höhe von 300 Euro monatlich soll leistungsstarke und engagierte Studenten fördern. Dafür hat der Bund in diesem Jahr zehn Millionen Euro eingeplant. Bislang wurden nach Auskunft des Bundesbildungsministeriums aber erst vier Millionen Euro abgerufen. Ministeriumssprecher Robin Mishra räumt gegenüber NDR Info ein, das Bild sei bei den Hochschulen wie in der Wirtschaft "sehr unterschiedlich, aber so, dass es hoffnungsfroh stimmt, dass sich da was aufbaut".
In Niedersachsen, wo wegen der Studiengebühren der Ruf nach Stipendien besonders laut ist, kommen die Hochschulen bislang auf etwas weniger als die Hälfte der möglichen Stipendien. Die Universitäten in Lüneburg und Osnabrück oder die Hochschule Emden-Leer konnten auch kurz vor Ende der Bewerbungsfrist nicht ausreichend private Sponsoren aus der Wirtschaft gewinnen, um ihr Kontingent an staatlichen Mitteln auszuschöpfen.
Im ersten Jahr fördert der Bund höchstens 0,45 Prozent aller Studenten, mittelfristig sollen es zehn Prozent werden. Hochschulen mit viel Erfahrung in privater Wissenschaftsförderung halten dieses Ziel für illusorisch. Dafür sei Hilfe von Politik und Verbänden notwendig, sagte der Präsident der Universität Hannover, Erich Barke, auf NDR Info. Seine Hochschule müsste "ungefähr drei Millionen Euro einsammeln auf diese Art und Weise, das gelingt nicht. Und es gelingt schon gar nicht jedes Jahr." Die Universität Hannover, die Technische Universität Braunschweig und die Jade-Hochschule Wilhelmshaven gehören zu den wenigen, die zum Wintersemester genügend Spenden einwerben konnten, um an 0,45 Prozent ihrer Studenten ein Stipendium zu vergeben und damit die Fördermittel des Bundes auszuschöpfen.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk