Kurt Beck bemängelt in seiner Hauptstadtrede Berlins Umgang mit DDR-Erbe
Archivmeldung vom 16.12.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer rheinland-pfälzische Ministerpräsident und frühere SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck bemängelt in seiner Hauptstadtrede Berlins Umgang mit dem DDR-Erbe, distanziert sich von Thilo Sarrazin und fordert mehr Unterstützung für den bundesdeutschen Föderalismus. Dies geht aus dem Redemanuskript für seinen Beitrag zur Veranstaltungsreihe "Hauptstadtreden" hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Beck wollte die Rede am Mittwochabend in der Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz halten. Diese Informationen sowie die folgenden Auszüge sind ab sofort bei Quellenangabe Der Tagesspiegel zu Ihrer Verwendung freigegeben:
Beck kritisierte den Umgang des Landes Berlin mit der Erinnerung an die Zeit vor dem Mauerfall. "Ich vermisse eine würdige Erinnerung an die Opfer der Mauer-Zeit, der DDR-Diktatur", heißt es in dem Manuskript von Becks "Hauptstadtrede", die er am Mittwochabend in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz halten wollte. "Am Checkpoint Charlie sieht es eher aus wie auf einem Krempelmarkt." Beck bezeichnete seine Kritik ausdrücklich "nicht als Einmischung in Berliner Angelegenheiten, sondern als Eindrücke eines Besuchers, der gerne in Berlin ist".
Mit seiner Rede reiht sich Beck eine Serie von persönlich gehaltenen Ansprachen, in denen Regierungschefs der Bundesländer auf Einladung der Stiftung Zukunft Berlin über ihr Verhältnis zur Hauptstadt gesprochen haben, kürzlich ist eine erster Sammelband im Siebenhaar-Verlag als Buch erschienen.
Beck nutzte seine Rede neben einer scharfen Kritik an der schwarz-gelben Bundesregierung vor allem für ein Plädoyer für die Autonomie der Bundesländer. "Der Föderalismus hat in der Bundeshauptstadt wenig Freunde", kritisierte er. Das gelte sowohl für die Merkel-Regierung als auch für die Bundestagsfraktion einschließlich der seiner eigenen Partei, bei denen "der Föderalismus nicht beliebt und unverstanden" sei. Auch bei den in der Hauptstadt konzentrierten Medien habe "der Zentralismus mehr Zustimmung" als das Konzept von 16 unterschiedlichen Ländern. "Die Vielfalt der Länder spiegelt sich in den überregionalen Medien wenig", bemängelte Beck.
Der Ministerpräsident rief dazu auf, gerade in Krisenzeiten wie jetzt die Bundesländer stärker wahrzunehmen. "Der Föderalismus hat zur Dynamik, zum Erfolg unseres Landes geführt." Zentralistische Staaten wie Frankreich hätten "die Wirtschafts- und Finanzkrise schlechter gemanagt als Deutschland." In der Bundesrepublik hätten vor allem die gemeinsamen Konjunkturprogramme unter der letzten Bundesregierung mit SPD-Beteiligung bewiesen, "dass der Föderalismus funktioniert." Schützend stellte sich Beck beim Thema Länderfinanzausgleich vor Berlin und die Ost-Länder, die rund 90 Prozent der Ausgleichszahlungen erhielten. "Ohne die Solidarität im Finanzausgleich würden wir große Teile des Landes veröden lassen." Das würde der Republik als Ganzes schaden. Um den Ländern auch weiterhin Eigenständigkeit und Chancengleichheit zu gewähren, sei der Finanzausgleich unerlässlich.
Freundliche Signale in Richtung Hauptstadt schickte Beck auch mit einer Aufzählung bedeutender Berliner, die einst aus seinem Teil des Landes an die Spree kamen, um Großes zu bewirken. Ohne den gebürtigen Mainzer Lorenz Adlon hätte Berlin keine angemessene Unterkunft für Hollywood- Stars, ohne den aus Oppenheim stammenden Reichstagsarchitekten Paul Wallot wäre Berlin um ein zentrales politisches Gebäude ärmer. Becks Fazit: Die Hauptstadt Berlin hat Menschen aus der so genannten Provinz viel zu verdanken. Nur von einem in Berlin lange wichtigen Menschen, der einst aus Rheinland-Pfalz an die Spree kam, distanzierte sich Beck explizit, nämlich von Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin, der in letzter Zeit durch kontroverse Thesen zur Integration in der Öffentlichkeit stand. Für dessen Aussagen, so Beck, "übernehme ich keine Verantwortung".
Quelle: Der Tagesspiegel