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Medien: Politik verhilft Atomkonzernen zu 882-Millionen-Euro-Klagen

Archivmeldung vom 15.01.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Kernkraftwerk Biblis mit Blick auf Block B / Bild: kuebi, de.wikipedia.org
Kernkraftwerk Biblis mit Blick auf Block B / Bild: kuebi, de.wikipedia.org

Die schwarzgelbe Bundesregierung hat der Atomindustrie offenbar zu Millionen-Klagen verholfen. Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Briefwechsel hervor, über den das ARD-Magazin "Monitor" heute berichtet (21.45 Uhr im Ersten).

Darin bittet der damalige RWE-Vorstandsvorsitzende, Jürgen Großmann, den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ausdrücklich um ein Schreiben, das heute als wesentliche Grundlage für Schadensersatzklagen der Atomkonzerne dient. Vorausgegangen war offenbar eine Vereinbarung mit dem damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla.

"Der Brief ist von RWE bestellt worden und die Politik hat geliefert", sagt Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. "Ein solcher Vorgang hat mit Rechtstaatlichkeit nichts mehr zu tun", urteilt der ehemalige Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium Wolfgang Renneberg. "So sind die Millionen-Klagen der Atomkonzerne erst möglich gemacht worden".

Bis Ende 2014 haben die Atomkonzerne RWE, E.ON und EnBW ihre Klagen auf Schadenersatz gegen den Bund und die zuständigen Länder eingereicht. Die Klagen richten sich gegen die von der Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossene vorübergehende Stilllegung der ältesten deutschen Atomkraftwerke. Die Konzerne fordern Schadenersatz in Höhe von rund 882 Mio. Euro.

Gegen das von der Politik verhängte Moratorium hatte RWE im Jahr 2011 vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel geklagt. Zeitgleich hätte der Konzern sein Atomkraftwerk Biblis B eigentlich wieder ans Netz gehen lassen können. Dass man das Atomkraftwerk selbst nach Auslaufen des Moratoriums nicht wieder angefahren hat, begründet RWE nun vor allem mit dem Schreiben des hessischen Ministerpräsidenten Bouffier, in dem es heißt, die hessische Atomaufsicht würde im Falle eines Anfahrens des Kernkraftwerkes "dagegen vorgehen". "Dieser Brief hat eine Grundlage für die heutigen Schadenersatzforderungen geschaffen", urteilt Atomrechtsexperte Prof. Joachim Wieland. Auch E.ON und EnBW begründen ihre Schadenersatzforderungen unter anderem mit diesem Brief.

Ein bislang geheimes Schreiben, das Monitor vorliegt, belegt nun, dass der damalige RWE-Chef den hessischen Ministerpräsidenten ausdrücklich um dieses Schreiben gebeten hatte. Darin heißt es: "Herr Minister Pofalla sagte mir zu, mir (...) einen schriftlichen Bescheid zu geben, dass Sie ein evtl. Anfahren verhindern werden. Wann können wir mit diesem Schreiben rechnen?"

Die atompolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting Uhl hält "diese Nähe zwischen Politik und Energiekonzernen, um den Steuerzahler um sein Geld zu bringen", für "unglaublich empörend." Die Grüne Bundestagsfraktion fasst angesichts der Erkenntnisse von MONITOR einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag ins Auge. Weder Volker Bouffier noch die Bundesregierung, Ronald Pofalla oder Jürgen Großmann wollten sich auf MONITOR-Anfragen zu den damaligen Vorgängen äußern.

Quelle: ARD Das Erste (ots)

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