DIW-Präsident hält Enteignungsdebatte für wenig überraschend
Archivmeldung vom 03.05.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Forderungen nach Enteignung und Kollektivierung für die Folge verschleppter Sozialstaatsreformen. "Ich finde die Diskussion nicht überraschend", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt".
Die Große Koalition müsse es ernst nehmen, dass die Ungleichheit der Einkommen wachse und in der Mittelschicht die Sorgen vor Jobverlust angesichts des technologischen Wandels zunähmen, so der Ökonom weiter. Es gebe Missbrauch des Eigentums, "etwa von manchen Vermietern, die ihre Marktmacht so ausnutzen, dass sie Menschen in die Bredouille bringen. Das ist nicht mehr im Sinne der sozialen Marktwirtschaft", sagte Fratzscher. Verstaatlichung hält er allerdings für keine gute Idee.
"Der Staat ist ja nicht der bessere Unternehmer, eher im Gegenteil", so der DIW-Präsident weiter. Der Staat müsse aber die Rahmenbedingungen so setzen, dass die soziale Marktwirtschaft für alle funktionieren könne, wie es Ludwig Erhard gewollt habe. "Dies kann er durch kluge Regulierungen und eine Wirtschaftspolitik, die für mehr Wettbewerb sorgt", sagte Fratzscher. Es gebe noch immer zu wenig Investitionen in Deutschland. "Das ermöglicht es einigen Privaten, sich Vorteile auf Kosten anderer zu verschaffen", so der Ökonom. Deutschland brauche zudem eine grundlegende Steuerreform, die mehr von Reich zu Arm umverteile. "Kaum ein Land in Europa besteuert Arbeitseinkommen so stark und Vermögen und Kapitaleinkünfte so schwach wie Deutschland", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt". Ungerechtigkeit sei keinesfalls nur ein Gefühl. "Es gibt ganz reale Gründe dafür, dass Menschen sich benachteiligt sehen, denn die soziale Polarisierung nimmt zu", so der DIW-Präsident weiter.
Quelle: dts Nachrichtenagentur