Mittelstands-Präsident Mario Ohoven sieht in geplanter Grundsteuerreform ein neues "Bürokratiemonster"
Archivmeldung vom 09.02.2019
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Freigeschaltet durch André OttHarsche Kritik übt Mittelstands-Präsident Mario Ohoven an den Plänen von Bund und Ländern für die Reform der Grundsteuer. Statt eine einfache Lösung auf den Weg zu bringen, habe sich die Politik auf ein "Bürokratiemionster" verständigt. In einem Gastkommentar für die "Fuldaer Zeitung" warnt der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) vor zusätzlichen Lasten für Bürger und Betriebe.
Ohovens Befürchtung: "Wenn die Nettokaltmieten der Berechnung zugrunde liegen, führt es dazu, dass Menschen, die schon jetzt hohe Mieten zahlen, in Zukunft auch eine hohe Grundsteuer zahlen müssen." Ballungsgebiete würden damit deutlich stärker belastet. Dies treffe Geringverdiener, aber auch kleine Betriebe und Gründer, die sich kaum noch Gewerbeflächen in beliebten Innenstädten leisten könnten. Ohoven: "Da stellt sich die Frage, ob das gerechter ist als eine einfache, werteunabhängige Flächensteuer."
Nachfolgend lesen Sie den Gastkommentar Mario Ohovens für die "Fuldaer Zeitung" im Wortlaut: "Seit gut 50 Jahren hat sich in (West)Deutschland nichts bei der Grundsteuer bewegt. In Ostdeutschland sind seit der letzten Berechnung der Einheitswerte sogar mehr als 80 Jahre vergangen. Jetzt tickt die Uhr: Das Bundesverfassungsgericht legte in seinem Urteil von April 2018 einen Zeitrahmen bis 2025 fest, in dem eine Reform der Grundsteuer beschlossen und vor allem umgesetzt werden muss. Die Grundsteuer ist nicht so unbedeutend, wie es die uralten Einheitswerte erscheinen lassen. Sie machte 2017 mit rund 14 Milliarden Euro 10 bis 15 Prozent des Haushalts der Kommunen aus und steht damit an zweiter Stelle nach der Gewerbesteuer. Ohne Reform würden diese Einnahmen wegfallen, und die Kommunen müssten die Daseinsvorsorge drastisch einschränken.
Der Auftrag an die Politik war klar: Unkompliziert entlasten! Nach dem üblichen Gerangel hat sich die GroKo nun auf die Grundzüge der neuen Grundsteuer verständigt. Sie folgt - leider - dem Motto: Kompliziert belasten! Der Kompromiss sieht vor, dass in Zukunft das Alter des Gebäudes, der regionale Bodenrichtwert sowie die durchschnittlichen Nettokaltmieten zur Steuerberechnung hinzugezogen werden. Die Nettokaltmieten sollen aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes abgeleitet werden. Für Mieten, die stark vom Durchschnitt abweichen, sind Ausnahmen vorgesehen. Hier beginnen die Probleme. Wenn die Nettokaltmieten der Berechnung zugrunde liegen, führt es dazu, dass Menschen, die schon jetzt hohe Mieten zahlen, in Zukunft auch eine hohe Grundsteuer zahlen müssen. Ballungsgebiete werden damit deutlich stärker belastet. Es trifft Geringverdiener, aber auch kleine Betriebe und Gründer, die sich kaum noch Gewerbeflächen in beliebten Innenstädten leisten können.
Die Wohnungskrise wird mit dieser Grundsteuer sogar noch verschärft. Da stellt sich die Frage, ob das gerechter ist als eine einfache, werteunabhängige Flächensteuer. Für die Steuererklärung ist es weiterhin erforderlich, die Gebäudeflächen zu ermitteln. Nach welchen Maßstäben dies erfolgen soll, bleibt allerdings unklar. Was ist beispielsweise mit Grundstücken, auf denen Handwerker leben und arbeiten? Sowohl hier als auch bei reinen Geschäftsgrundstücken ohne Mieten soll ein vereinfachtes Sachwertverfahren angewendet werden. "Vereinfacht", weil statt über 30(!) nur noch 8 Angaben benötigt werden. Immerhin sehen die Landesfinanzminister ein, dass eine individuelle Bodenrichtwertermittlung zu viel Bürokratie bedeutet. Der Bodenrichtwert drückt den Wert der Fläche je Quadratmeter aus und orientiert sich hauptsächlich an den Preisen, die bei Verkäufen in der Umgebung des Grundstücks erzielt werden. Bodenrichtwerte sollen zukünftig zu regionalen Zonen zusammengefasst werden, um den Bürokratieaufwand niedrig zu halten. Den unsinnigsten Teil der Grundsteuerreform stellt das Baujahr dar. Dieses wird für den Grundstückswert künftig "ein notwendiger Bewertungsparameter" sein.
Was absurd ist, denn das Alter eines Gebäudes sagt in der Regel nichts über dessen Wert oder die Leistungen der Gemeinde aus. Zudem dürften Neubauten durch die Neuregelung in Zukunft höher besteuert werden. Damit bestraft die Politik nicht nur Häuslebauer, sondern auch Investitionen von kleinen und mittleren Unternehmen. Fassen wir zusammen: Die Politik hat sich - anders als vom Mittelstand empfohlen - auf ein werteabhängiges Modell geeinigt und dadurch ein Bürokratiemonster erschaffen. Dieser Kompromiss könnte uns zudem teuer zu stehen kommen. Denn die Kommunen legen den Hebesatz fest - und damit die tatsächliche Belastung durch die Grundsteuer. Ich habe große Sorge, dass sie versuchen werden, Einnahmeausfälle infolge der Grundsteuerreform durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer zu kompensieren. Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie sich für ein werteunabhängiges Modell entscheidet. Betrieben und Bürgern dürfen keinesfalls zusätzliche Lasten aufgebürdet werden. Deshalb mein dringender Appell: Unkompliziert entlasten, bitte!
Quelle: Fuldaer Zeitung (ots)