Zeitung: Geld für Pflegereform reicht nicht aus
Archivmeldung vom 04.10.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür die von der großen Koalition angekündigte Pflegereform reicht das eingeplante Geld voraussichtlich nicht aus. Damit das Versprechen eingehalten wird, keinen Pflegebedürftigen schlechter zu stellen als heute, ist nach Einschätzung der SPD, von Pflegeexperten und Krankenkassen mindesten eine Milliarde Euro pro Jahr mehr nötig, wie aus aus Unterlagen hervorgeht, aus denen die "Berliner Zeitung" zitiert. Um diese Lücke zu füllen, wird in der SPD der Zeitung zufolge der Plan diskutiert, die für 2017 geplante zweite Stufe der Beitragserhöhung um ein oder ein halbes Jahr vorzuziehen. Auf diese Weise soll ein Puffer angelegt werden.
Ähnlich war auch bei der Einführung der Pflegeversicherung 1995 verfahren worden. Damals mussten von Anfang an Beiträge in voller Höhe gezahlt werden, die Leistungen flossen teilweise aber erst über ein Jahr später. Mit der seit langem erwarteten Reform wird die Pflegeversicherung auf eine völlig neue Grundlage gestellt.
Bei der Frage, welche Leistungen ein Hilfebedürftiger bekommt, sollen ab 2017 nicht nur körperliche Gebrechen berücksichtigt werden, sondern im gleichen Maße auch geistige Einschränkungen wie etwa Demenz. Dazu sollen die drei Pflegestufen in fünf sogenannte Bedarfsgrade überführt werden. Fachleute sprechen von einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Zur Finanzierung dieser Umstellung, für weitere Leistungsverbesserungen und für das Ansparen einer demografischen Rücklage soll der Beitragssatz 2015 um 0,3 und 2017 um weitere 0,2 Prozent auf dann insgesamt 2,55 Prozent (Kinderlose 2,8 Prozent) angehoben werden. Derzeit wird in zwei Untersuchungen überprüft, wie sich die Umstellung in der Praxis auswirkt.
Der renommierte Bremer Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang, der eine dieser Studien betreut, schrieb der BZ zufolge in einer Expertise, die Mehreinnahmen durch die Anhebung der Beiträge reichten nicht aus, wenn niemand am Ende weniger Leistungen bekommen soll. Es bleibe eine Lücke von über einer Milliarde Euro. Das entspricht rund 0,1 Beitragspunkten. Auch die gesetzlichen Krankenkassen gehen von einer Finanzierungslücke in dieser Größenordnung aus.
"Am Ende könnte es für das Kernstück der Pflegereform, die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, wieder knapp werden, zumal, wenn niemand schlechter gestellt werden soll", sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, der "Berliner Zeitung". "Nach der Kritik in der Anhörung im Bundestag sollte die große Koalition deshalb überlegen, auf den geplanten Vorsorgefonds zu verzichten und die Gelder für echte Leistungsverbesserungen einzusetzen", forderte der AOK-Chef. Für den Vorsorgefonds sind derzeit jährlich rund eine Milliarde Euro eingeplant. Durch einen Verzicht könnte daher die prognostizierte Lücke gedeckt werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur