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NPD in der Krise

Archivmeldung vom 27.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Die NPD hat mit immer mehr Parteiaustritte zu kämpfen, noch in diesem Jahr könnte die Mitgliederanzahl unter 7.000 fallen. Fraglich sei, so ein Sicherheitsexperte, die Weiterexistenz der Partei.


Ganze Kreisverbände sind aus der NPD ausgetreten, so dass die Anzahl der Mitglieder wohl noch in diesem Jahr unter die 7000er-Marke fallen wird. „Es ist fraglich, ob die NPD unter diesen Umständen überhaupt weiter existieren kann“, sagt ein Sicherheitsexperte.

Spätestens seit Montag brechen bei den „Kameraden“ alle Dämme. Beamte des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen durchsuchten die NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick. Der ehemalige Bundesschatzmeister Erwin Kemna soll bei der Buchführung der Partei noch dreister betrogen haben als bisher bekannt.

„In den letzten Jahren hat Kemna dem Bundestag Rechenschaftsberichte vorgelegt, die nicht den Vorschriften des Parteiengesetzes entsprachen“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster. Eine hohe Spendensumme soll er als Darlehen ausgegeben haben. Für private Parteispenden gilt die Obergrenze von 3300 Euro, bei Darlehen gibt es diese Regelung nicht. Parteien müssen sich mindestens zur Hälfte selbst finanzieren; das scheint der NPD nicht zu gelingen. 2007 erhielt sie rund 1,45 Millionen Euro vom Staat. Trifft der Betrugsvorwurf zu, stehen der NPD Strafzahlungen in sechsstelliger Höhe bevor.

Kemna wurde im September bereits zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, weil er rund 740.000 Euro an Parteigeldern abzweigte, um sein privates Küchenstudio zu retten. Seitdem rufen einige NPDler, mal mehr, mal weniger öffentlich, auch Parteichef Voigt zum Rücktritt auf. Schließlich gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder er wusste von den Machenschaften seines Duzfreundes Kemna – oder er hatte nicht den geringsten Überblick über die Finanzen seiner Partei.

Nun wittert der radikale Parteiflügel Morgenluft. Voigt führt die NPD seit 14 Jahren. Mit der Taktik, Neonazis und rechtsextreme freie Kameradschaften in die NPD einzubinden, hatte er es geschafft, die Anzahl der Parteimitglieder fast zu verdreifachen – und die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in den Landtag geführt. Doch den Radikalen ist der Führungskurs der bürgerlich angehauchten Nationalisten zu artig, eine revolutionäre Politik sei mit dem „vorgestrigen Haufen“ nicht zu machen. Der ehemalige Waldorf-Lehrer Andreas Molau (bis vor kurzem Mitglied im Bundesvorstand und zuständig für Bildung) und CDU-Abweichler Jürgen Gansel versuchten vergeblich, die NPD zu intellektualisieren.

Der sächsische Abgeordnete Gansel bezeichnete autonome Nationalisten und Skinheads jüngst als „unbelehrbare und politikunfähige NS-Esel“. In Sachsen und Bayern haben sich nun Kameradschaften von der Partei abgewandt, radikale Mitglieder kündigen ihre Mitgliedschaften. Auch Molau erklärte seinen Rückzug aus dem Bundesvorstand, dessen Führung er nach dem Finanzskandal nicht mehr unterstützen könne.

Die ausgedünnte Mitgliedschaft dürfte der NPD im Superwahljahr 2009 – wo man auf Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen hoffte – schwer zu schaffen machen. Vor allem den sogenannten „Freien Kräften“ kommt in Wahlkampfzeiten besondere Bedeutung zu: Plakate kleben, Handzettel verteilen, eben den von Voigt ausgerufenen „Kampf um die Straße“ austragen.

Ein Sonderparteitag soll nun spätestens im April stattfinden. Ob Voigt sich bis dahin im Amt halten kann, ist ungewiss. Die Neonaziszene hat ihren Wunschkandidaten als Parteivorsitzenden bereits ausgemacht. Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, hält gern provokante Reden oder beschimpft den Bundestag als „Knesset an der Spree“. Auch Voigts Ziehsohn Holger Apfel wird als sein möglicher Nachfolger gehandelt, ebenso wie Molau und Vize-Parteichef Jürgen Rieger, der letzte finanzkräftige Darlehensgeber der NPD. Vom radikalen Flügel aber werden diese Kandidaten als „Bonzen“ verachtet.

So scheint sich die NPD – während die Innenminister der Länder noch vor kurzem darüber debattiert hatten, wie man der Partei den Zugang zu staatlichen Geldern verwehren könnte – selbst zu zerlegen. Dabei hätte es doch für die Rechtsextremen ein Leichtes sein müssen, in Zeiten der Finanzkrise auf Stimmenfang zu gehen.


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