Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Thüringen beklagt neuen Antisemitismus und fordert energisches Vorgehen dagegen
Archivmeldung vom 28.04.2021
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, hat sich zutiefst beunruhigt über den Antisemitismus geäußert, der heute in Deutschland und Europa wieder virulent ist. "Wir haben ein solch aggressives Verhalten in Deutschland und europaweit gegen Juden wie heute nicht mehr für möglich gehalten - ein Dreivierteljahrhundert nach dem millionenfachen Mord der Nazis an den Juden", sagt Schramm im Interview mit der Zeitung "nd.DerTag".
Es sei ein Konglomerat aus Bedrohungen, die ihm selbst wie allen Juden in der Bundesrepublik Sorgen und sogar Existenzängste bereiten: rechtsradikaler und islamistischer Judenhass, aber auch antisemitische Tendenzen unter einigen Linken, "die - und das tut besonders weh - den jüdischen Staat Israel als eine Art Lebensversicherung für uns Juden in Frage stellen". Der langjährige Professor an der TU Ilmenau fügt hinzu, dass ihn auch sogenannte Querdenker ängstigen, die bei ihren Demonstrationen "wieder nach Gaskammern rufen". Deren Überwachung durch den Verfassungsschutz findet er rechtens und notwendig.
Schramm, 1944 in Weißenfels als Sohn einer jüdischen Mutter geboren, entging dem millionenfachen Judenmord der Nazis dank einer kommunistischen Familie, die beide kurz vor der Deportationsaufforderung zur Kriegsende versteckte. Schramm berichtet im Interview auch über Antisemitismus, den er als Student der Elektronik in Polen Anfang der 60er Jahre erlebte. Die aktuellen Entwicklungen in Österreich, Ungarn und in anderen Staaten, "wo Hitlers Satrapen und Helfer saßen", befördern aus seiner Sicht die Rechtsradikalen und Neonazis, Antisemiten und Rassisten in Deutschland. Der IT-Professor und Sozialdemokrat wünscht sich, dass die Bundesrepublik "energischer gegen rechte Gewalttäter und Antisemiten" vorgeht, aber "auch gegen falsche Ideologien und Ideologen in der Mitte der Gesellschaft, die sich sogar in der Kulturlandschaft tummeln".
Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche (ots)