Thierse: Wiedervereinigung nicht allein Verdienst von Helmut Kohl
Archivmeldung vom 30.06.2017
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Freigeschaltet durch André OttDer ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ist der Meinung, dass der verstorbene Altkanzler Helmut Kohl (CDU) die Wiedervereinigung nicht allein erreicht habe. "Wenn man von ihm als Vater der Einheit spricht, dann muss man immer daran erinnern, dass die Mauer von Osten eingedrückt worden ist", sagte er der "Berliner Zeitung".
"Zuerst kam die friedliche Revolution. Und dann kam die Einheit. Helmut Kohl hat den Moment genutzt und ausgesprochen geschickt verhandelt." Thierse fügte kritisch hinzu: "Helmut Kohl hat den Deutschen in Ost und West vor der Wahl 1990 vollmundig versprochen, dass das mit der Einheit ganz schnell und ganz leicht gehen werde und die blühenden Landschaften rasch kommen würden. Je größer die Versprechungen, umso größer die Enttäuschungen.
Manche Entwicklungen in Ostdeutschland haben damit zu tun: Dass die Erwartungen, die Helmut Kohl geweckt hat, zu groß waren und die Enttäuschungen mit einer gewissen Verzögerung in den Neunzigerjahren umso heftiger folgten." Überhaupt sei Kohl "eine wirklich widersprüchliche historische Gestalt. Er ist ein sehr glücklicher deutscher und europäischer Politiker gewesen. Er hat mit der Wiedervereinigung die Gunst der Stunde genutzt, die ihm die friedliche Revolution in der DDR präsentiert hat. Zugleich war Kohl verbittert, hat unzählige andere Politiker beschimpft, mich auch.
Zum Schluss war seine glorreiche politische Karriere durch die Parteispendenaffäre überschattet." Thierse und Kohl standen seit der CDU-Parteispendenaffäre im Konflikt miteinander, da Thierse als Konsequenz der Affäre eine Strafe von 41 Millionen D-Mark gegen die CDU verhängt hatte. Kohl sagte später, Thierse sei "der schlimmste Präsident seit Hermann Göring". Thierse geriet bei CDU und CSU in die Kritik, weil er nach dem Freitod der an einer Lichtallergie erkrankten Hannelore Kohl mit den Worten zitiert wurde, man könne seine Frau nicht im Dunkeln sitzen lassen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur