BND-Enthüllungen verärgern Parlamentarisches Kontrollgremium
Archivmeldung vom 18.08.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Berichte über mitgeschnittene Telefonate von US-Außenminister John Kerry und seiner Vorgängerin Hillary Clinton sorgen für Ärger im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags. Der stellvertretende Vorsitzende des Kontrollgremiums, der Linken-Politiker André Hahn, sagte der "Welt": "Uns wurde immer wieder versichert, es gab nie Abhörmaßnahmen gegen die USA."
Die Bundesregierung ist allerdings zur Auskunft gegenüber den Geheimdienstkontrolleuren verpflichtet. Nach Paragraf 4 muss die Bundesregierung die PKGr-Mitglieder über alle "Vorgänge von besonderer Bedeutung" unterrichten.
"Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hatten am Freitag über eine mögliche Ausspähung des Handys der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton in mindestens einem Fall berichtet. Am Samstag legte der "Spiegel" nach: Zum einen sei der deutsche Nato-Bündnispartner Türkei seit Jahren ein BND-Aufklärungsziel, zum anderen sei auch mindestens ein Gespräch des amtierenden US-Außenministers John Kerry abgehört worden. Die Telefonate der Amtsträger sollen jedoch nicht gezielt überwacht worden sein, sondern zufällig im Rahmen anderer Operationen, hieß es.
Nach Informationen der "Welt" hofft die Bundesregierung weiterhin darauf, mit den USA eine neue Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Nachrichtendienste auszuhandeln. In einem Passus sollten genaue Grenzen für das gegenseitige Abschöpfen festgeschrieben werden.
Trittin verteidigt BND-Spionage
Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin hat die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes verteidigt, der nach Medienberichten auch Gespräche von US-Außenminister John Kerry und dessen Vorgängerin Hillary Clinton belauscht hat sowie systematisch in der Türkei spioniert. Er rate in der Debatte um die Arbeit der Geheimdienste zu "weniger Wehleidigkeit, mehr eigener Aufklärung und besserer Spionageabwehr", sagte Trittin der "Berliner Zeitung". Ein zufälliges Mithören von Ministertelefonaten sei etwas anderes als das systematische Ausspähen des Parteihandys der Kanzlerin. Die BND-Tätigkeit in der Türkei sei gerechtfertigt: "Die Sicherheit Deutschlands ist durch die Vorgänge im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien und dem Irak unmittelbar betroffen. Und es stehen Bundeswehrsoldaten an der Grenze zu Syrien. Dass ein geheimer Nachrichtendienst dort Erkenntnisse sammelt, kann man ihm nicht vorwerfen. Das ist seine Aufgabe", betonte Trittin.
SPD-Außenpolitiker Mützenich: Ausspähen der Türkei schürt Misstrauen
Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und ihr außenpolitischer Sprecher, hat die mutmaßliche Spionage des Bundesnachrichtendienstes (BND) gegen die Türkei kritisiert. "Unabhängig vom Ausmaß und Ziel der Spionage wird das Misstrauen zwischen beiden Regierungen wachsen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
In Bezug auf die geopolitische Bedeutung der Türkei fügte er hinzu: "Angesichts gemeinsamer sicherheitspolitischer Herausforderungen sind das schlechte Aussichten." Nach dem "Spiegel" hatte auch die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" über eine Spionagetätigkeit des BND gegenüber Ankara berichtet. Das sei aus Regierungskreisen bestätigt worden. Die Türkei gehöre nach Informationen der Zeitung zu den "Kernländern" der Beobachtung.
Ströbele verlangt Aufklärung über BND-Aktivitäten gegen Türkei
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, hat von der Bundesregierung rasche und umfassende Aufklärung über die BND-Aktivitäten gegen die Türkei verlangt. "Uns wurde immer gesagt: Wir machen so etwas nicht, Freunde spioniert man nicht aus", sagte der Grünen-Abgeordnete der "Saarbrücker Zeitung". Das habe die Vorwürfe gegenüber der NSA und der US-Regierung begründet. "Die Bundesregierung kommt gegenüber Washington jetzt in Argumentationsnöte", sagte Ströbele.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stehe mit ihrer Aussage, dass man Freunde nicht ausspioniere, blamiert da. Die Bundesregierung müsse jetzt sagen, was das Kanzleramt von den BND-Aktivitäten gewusst habe und seit wann. "Und diese Information muss öffentlich erfolgen, denn es geht nicht mehr um einen geheimen Vorgang."
Wenn Merkel über die BND-Aktivitäten gegenüber der Türkei nicht informiert gewesen sei, würde das bedeuten, dass die Aufsicht durch das Kanzleramt nicht funktioniere, betonte Ströbele. "Dann hätten die Dienste ein völlig unkontrolliertes Eigenleben."
Quelle: dts Nachrichtenagentur