Migrationsforscher Oltmer plädiert für Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Archivmeldung vom 02.05.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićNach Ansicht des renommierten Migrationsforschers Jochen Oltmer bietet der Umgang mit den ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland eine gute Gelegenheit, das Asylbewerberleistungsgesetz zu überdenken. Im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Oltmer, die Tatsache, dass die Geflüchteten ab Juni Leistungen über das Sozialgesetzbuch erhielten, zeige: "Es geht offenbar auch ohne. Am besten schafft man das Asylbewerberleistungsgesetz ab."
Das Gesetz sei 1993, begleitend zu den Debatten um das Asylgrundrecht, eingeführt worden, "um Menschen abzuschrecken, nach Deutschland zu kommen und einen Asylanspruch geltend zu machen. Der Beweis, dass das tatsächlich funktioniert, wurde nie erbracht." Zudem sei mit dem Asylbewerberleistungsgesetz eine Sonderbürokratie verbunden, sagte der Osnabrücker Wissenschaftler.
Oltmer, der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist, sagte der NOZ weiter: "Würde das Gesetz abgeschafft, wäre von Beginn an klar, dass der Bund den Großteil der Kosten übernimmt und damit eben auch die Kommunen und ihre klammen Kassen entlastet." In der Vergangenheit seien "viele im Kontext der Aufnahme von Schutzsuchenden angefallenen Kosten eben nicht ersetzt worden durch den Bund, obwohl er zuständig sein müsste, weil er ja die Hoheit bei der Zuweisung des Asylstatus hat".
Die von der Politik angestrebte schnelle Integration der Geflüchteten aus der Ukraine in die deutsche Gesellschaft hält Oltmer für richtig. "Womöglich dauert der Krieg über Jahre an. Deshalb halte ich es für ganz wichtig, früh über Integrationskurse, Vermittlungsangebote in Richtung auf den Arbeitsmarkt und die Anerkennung von Berufsabschlüssen nachzudenken", sagte Oltmer und betonte: "Flüchtlinge in prekären Lebenssituationen zu lassen, sie zu versorgen, weil sie vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden, kostet wahnsinnig viel öffentliches Geld und schafft jede Menge soziale Probleme." Das wisse man aus der Vergangenheit.
Auch wenn ein Großteil der ukrainischen Flüchtlinge heute noch baldmöglichst in die Heimat zurückkehren möchte, müsse man damit rechnen, dass so mancher doch längerfristig in Deutschland bleiben werde, schätzt Oltmer: "Wenn so eine Konstellation, wie wir sie heute haben, über sehr viele Jahre läuft, bauen die Menschen zunehmend stärkere soziale Bindungen auf. Dass der Wille zur Rückkehr dann bei vielen nicht mehr so stark ausgeprägt sein wird, damit muss man rechnen." Je nach Ausgang des Krieges kämen dann "vielleicht auch die Männer nach Deutschland, die jetzt noch in der Ukraine kämpfen".
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)