Außenminister Steinmeier mitverantwortlich für Schicksal des Guantánamo-Häftlings Kurnaz
Archivmeldung vom 13.12.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlIn seiner früheren Funktion als Chef des Bundeskanzleramts war Außenminister Frank-Walter Steinmeier entscheidend am Beschluss der deutschen Behörden beteiligt, den Bremer Murat Kurnaz im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantánamo interniert zu lassen, obwohl die Amerikaner seine Freilassung angeboten hatten.
Dies berichtet das Hamburger Magazin stern in
seiner neuen Ausgabe.
Geheime Unterlagen und Recherchen des stern belegen zudem die
politische Mitverantwortung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder
sowie Ex-Außenminister Joschka Fischer. Steinmeier und Fischer werden
am Donnerstag erstmals im sogenannten "BND-Ausschuss" in Berlin
befragt.
Wie der stern berichtet, berieten die Präsidenten der deutschen Sicherheitsbehörden sowie ausgewählte Staatssekretäre am 29. Oktober 2002 im Bundeskanzleramt über das US-Angebot, Kurnaz freizulassen. Als Leiter der "Präsidentenrunde" war der damalige Kanzleramtschef Steinmeier für deren Entscheidungen verantwortlich. Obwohl Experten von Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz sowie US-Vernehmer den inhaftierten Murat Kurnaz für unschuldig hielten, hätte die Runde auf Empfehlung von August Hanning, damals BND-Chef und heute Staatssekretär im Innenministerium, entschieden, eine Einreissperre gegen den Bremer zu verhängen. Die Amerikaner reagierten verärgert. Kurnaz blieb weitere vier Jahre bis zu seiner Freilassung am 24. August 2006 in Guantanamo.
Auch Ex-Außenminister Joschka Fischer war persönlich in den
Haftfall Kurnaz involviert, so der stern. In seinem Ministerium wurde
im Januar 2002 geplant, einen Konsularbeamten "zwei Tage zur
Befragung" des inhaftierten Kurnaz nach Guantanamo zu schicken,
gemeinsam mit einem BND-Mitarbeiter. Details habe Fischers
Staatssekretär Gunter Pleuger mit dem damaligen BND-Chef Hanning
verabredet. "Vorgang liege bei BM Fischer"; Entscheidung stehe noch
aus", zitiert der stern dazu einen Vermerk aus dem Kanzleramt. Nur
Tage später schrieb Fischer an Kurnaz´ Familie in Bremen, die damals
nicht wusste, wo ihr Sohn war: "Sobald wir Näheres über das Schicksal
Ihres Sohnes erfahren, werden wir Sie umgehend unterrichten". Doch da
Kurnaz türkischer Staatsbürger sei, "sind unsere Möglichkeiten sehr
beschränkt". Von dem US-Angebot, Kurnaz in Guantanamo zu sprechen,
erwähnt Fischer nichts. Letztlich reiste dann kein deutscher Diplomat
nach Guantanamo.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vermied es bei mehreren Treffen mit US-Präsident Bush, den Fall Kurnaz anzusprechen. Schröder bestritt kürzlich in einem Fernseh-Interview, als Regierungschef mit dem Thema befasst gewesen zu sein. Doch vor einer Reise Schröders nach Washington empfahl das Kanzleramt nach einem Aktenvermerk, der dem stern vorliegt, den Fall Kurnaz "nicht aktiv ansprechen".
Quelle: Pressemitteilung stern