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Caritas-Präsident Peter Neher: Umsetzung der Agenda 2010 unbefriedigend

Archivmeldung vom 22.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, hat die Umsetzung der Agenda 2010 als unbefriedigend kritisiert. "Die Liste der Mängel ist lang", sagte er gegenüber dem Tagesspiegel am Sonntag. So fehlten immer noch hinreichend qualifizierte Fallmanager, die auf die Nöte der Menschen adäquat eingehen könnten.

Arbeitslosengeld II-Bezieher seien bis heute mit unverständlichen Bescheiden konfrontiert und die im Gesetz vorgesehenen Sanktionen für Hilfeempfänger seien überzogen. "Einzelfallhilfen in Härtefällen sind kaum noch möglich - ein zentraler Konstruktionsfehler der Grundsicherung, der dringend korrigiert werden muss", sagte Neher. Er forderte, die staatliche Unterstützung von heute 347 Euro im Monat um 25 Euro zu erhöhen. Im Blick auf das gesellschaftliche Leben betonte der Caritas-Chef, es sei in den letzten Jahren eine tiefe Verunsicherung entstanden. "Menschen können bei Verlust ihres Arbeitsplatzes relativ schnell sozial absacken, wenn sie keine adäquate Arbeit mehr finden." Jeder Zehnte in Deutschland könne nicht mehr aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt verdienen. "Oft hängt damit ein Verlust des Selbstwertgefühls und ein Gefühl der Ohnmacht zusammen", sagte der Caritas-Präsident. Langzeitarbeitslosigkeit lasse sich nur dann dauerhaft bekämpfen, "wenn wir mehr in die Bildung der nachwachsenden Generationen investieren." Das sei die beste Vorsorge gegen Armut später im Erwachsenenalter, erklärte Neher. Dabei gehe es nicht nur um die Verwertbarkeit der Menschen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch um ihre Teilhabechancen - also um ihre Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihr persönliches Leben selbst bestimmt zu gestalten. Der Caritas-Präsident forderte die Politik auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kinder in Zukunft kein Armutsrisiko mehr darstellten. Er plädiert für eine Kindergrundsicherung, "die es ermöglicht, dass Kinder unabhängig von der Arbeitsmarktsituation ihrer Eltern finanziell abgesichert sind." Ein erster Schritt sei der Ausbau des Kinderzuschlages. Er müsse von aktuell 140 Euro auf mindestens 150 Euro erhöht werden. Die Caritas halte grundsätzlich auch einen eigenständigen Kinderregelsatz bei der Grundsicherung für erforderlich, der nicht einfach nur als Prozentsatz der Erwachsenengrundsicherung kalkuliert wird. "Familien mit Kindern müssen stärker finanziell entlastet werden. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betonte Neher. Der Forderung von Politikern, überforderte oder nachlässige Eltern zu staatlichen Erziehungskursen zu verpflichten oder mit einem Bußgeld zu belegen, erteilte der Caritas-Chef eine Absage. "Wir wissen, dass ein gewisser Teil der Eltern in Deutschland mit der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder überfordert ist. Hier reicht allein eine Erhöhung der materiellen Zuwendungen nicht aus." Es sei aber zwingend erforderlich, niedrigschwellige Angebote zu machen und sehr früh in Kontakt mit den Familien zu kommen. "Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Wir halten nichts von Zwangsuntersuchungen".

Quelle: Der Tagesspiegel

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