Trittin: Röttgen-Besuch in Gorleben ist untauglicher Versuch der Selbstinszenierung
Archivmeldung vom 01.12.2010
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Freigeschaltet durch Fabian PittichDie für Donnerstag geplante Gorleben-Visite von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Erkundungsbergwerk für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll stellt für den ehemaligen Bundesumweltminister und jetzigen Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, "einen untauglichen Versuch der Selbstinszenierung dar, mehr nicht". Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag-Ausgabe) sagte Trittin zur Begründung: "Zu einem ehrlichen Dialog gehört Offenheit und Aufgeschlossenheit für mögliche Alternativen. Das will Herr Röttgen nicht."
Trittin weiter: "Er hat sich schon entschieden - für Gorleben." Er habe den Sofortvollzug für den Weiterbau des Endlagers angeordnet: "Worüber sollen da die Bürger im Landkreis mit ihm noch diskutieren?", kritisierte Trittin. Unhaltbar sei auch Röttgens Versprechen, sein Gorleben-Besuch soll der Beginn eines unvoreingenommenen Sach- und Auswahlverfahrens sein. "Herr Röttgen will das Endlager im Gorlebener Salzstock fertig bauen lassen, und zwar ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren. Das nennt man landläufig einen Schwarzbau." Genehmigungsgrundlage sei das veraltete Bergrecht aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieses Gesetz kenne weder Bürgeranhörung noch Bürgerbeteiligung und Transparenz, meinte Trittin.
Zudem werde in Gorleben "nichts mehr geprüft oder erkundet, sondern gebaut". Es würden vollendete Tatsachen geschaffen, nichts anderes. Heute könne man aber nicht einmal mehr eine einfache Ortsumgehung bauen, ohne vorausgegangene Prüfung mindestens zweier Alternativ-Trassen. "Herr Röttgen hat sich entschieden, bei der Endlagerung alles auf eine Karte zu setzen, ohne alternative Standorte zu prüfen. Spätestens vor Gericht wird er damit scheitern", zeigte sich Trittin überzeugt. Damit sei wertvolle Zeit für einen echten Standortvergleich vertan.
Für eine Versachlichung des Gorleben-Verfahrens "wäre Vertrauen nötig, das die Menschen im Wendland keinem Politiker entgegenbringen können, der so mit ihrer Zukunft umzugehen gedenkt wie Herr Röttgen", bemängelte der Ex-Umweltminister. Röttgen mache nicht einmal den Versuch, Vertrauen zu bilden. "Er könnte zum Beispiel auf den Sofortvollzug verzichten, er könnte den früheren Atommanager Thomauske als Verantwortlichen für die Sicherheitsanalyse in die Wüste schicken. Und er könnte sich einen anderen Abteilungsleiter suchen, als ausgerechnet einen Ex-Manager der Stromkonzerne", sagte Trittin. "So aber ist Röttgens Visite in Gorleben wohl eher ein untauglicher Versuch der Selbstinszenierung, mehr nicht." Skeptisch zeigte sich der Grünen-Fraktionschef im Bundestag zur Möglichkeit, für das Gorleben-Verfahren einen Schlichter nach dem Vorbild von Heiner Geißler mit "Stuttgart 21" zu benennen. "Der käme in Gorleben um Jahrzehnte zu spät", meinte Trittin. "Eine Endlagersuche, selbst wenn sie ergebnisoffen und transparent wäre, würde an keinem Ort Begeisterungsstürme auslösen. Chancen auf Akzeptanz hätte diese Suche nur, wenn sie die Menschen vor Ort einbezieht und ihre Ängste ernst nimmt, wenn sie nicht politisch beeinflusst ist, sondern international anerkannten wissenschaftlichen Kriterien folgt und ergebnisoffen zwischen verschiedenen Varianten abwägt." Er habe ein solches Verfahren als verantwortlicher Bundesumweltminister 2003 erarbeiten lassen. "In der Schweiz wird danach gehandelt, in Deutschland blockiert es die Union."
Quelle: Leipziger Volkszeitung