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Deutschland erlebte 2009 stärkste Rezession der Nachkriegszeit

Archivmeldung vom 13.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Statistisches Bundesamt
Statistisches Bundesamt

Das Statistische Bundesamt hat heute die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt 2009 bekannt gegeben. Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurden diese Zahlen mit großer Spannung erwartet. Fragen zur wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im Jahr 2009 beantwortete Roderich Egeler, der Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, im nachfolgenden Interview.

Herr Egeler, wie hat sich die deutsche Wirtschaft im abgelaufenen Jahr entwickelt?

Deutschland erlebte 2009 die stärkste Rezession seiner Nachkriegsgeschichte. Nach unserer ersten Schätzung war das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt 2009 um 5% niedriger als im Jahr zuvor. Die Wirtschaft ist hauptsächlich im Winterhalbjahr 2008/2009 eingebrochen - seitdem hat sich aber die Lage auf einem neuen, niedrigeren Niveau stabilisiert.

Welche Auswirkungen hatte der wirtschaftliche Einbruch für den Arbeitsmarkt?

Bemerkenswert ist, dass die Auswirkungen der Krise auf dem Arbeitsmarkt kaum spürbar gewesen sind. Die Zahl der Erwerbstätigen lag 2009 bei 40,2 Millionen und damit auf der Höhe wie im Jahr 2008 - und das war ein Rekordjahr.

Worauf ist diese günstige Entwicklung zurückzuführen?

In Deutschland haben die Unternehmen bisher kaum mit Entlassungen auf die Krise reagiert. Stattdessen haben sie häufig die Arbeitszeit reduziert: und zwar durch Kurzarbeit, den Abbau von Arbeitszeitkonten oder durch tarifvertraglich geregelte Kürzungen der Arbeitszeit.

Aber unter dem Strich bleibt: Trotz wirtschaftlichem Einbruch hatten wir 2009 stabile Beschäftigung?

Das ist schon richtig. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität erheblich zurückgegangen ist: Je Erwerbstätigen ist die Produktivität im Vergleich zu 2008 um 4,9% gesunken. Wenn man das auf die Arbeitsstunden bezieht, dann waren es immerhin noch 2,2%.

Kommen wir noch mal zurück zur generellen wirtschaftlichen Situation: Welche Branchen waren besonders von der Wirtschaftskrise betroffen?

Hier ist natürlich eindeutig das Produzierende Gewerbe zu nennen, das wegen seiner besonderen Exportabhängigkeit unter dieser Krise stark gelitten hat. Die reale Bruttowertschöpfung des Produzierenden Gewerbes stürzte 2009 mit einem Minus von fast 17% regelrecht ab. Auch im Bereich "Handel, Gastgewerbe und Verkehr" ging die Wirtschaftsleistung deutlich zurück, hier um 5,1%.

In früheren Zeiten war der Außenhandel ja häufig der Konjunkturmotor. Welche Auswirkungen hatte die weltweite Wirtschaftskrise auf die Exportnation Deutschland?

Die Exporte von Waren und Dienstleistungen sind 2009 gegenüber dem Vorjahr drastisch gesunken, preisbereinigt um 14,7%. Bei den Importen fiel der Rückgang nicht ganz so stark aus, hier lag er bei 8,9% . Der deutsche Außenhandelüberschusses ging im Vergleich zum Vorjahr zurück. Alles in allem war der Außenhandel 2009 nicht Motor - wie wir das gewohnt sind - sondern Bremse der wirtschaftlichen Entwicklung.

Welche Signale gingen von der Binnennachfrage aus?

Da waren die Signale sehr unterschiedlich. Investiert wurde deutlich weniger als 2008. Vor allem die Ausrüstungsinvestitionen brachen stark ein - um 20%. Vom Konsum gingen dagegen positive Impulse aus: Der private Konsum nahm um 0,4% zu - eine große Rolle spielt hierbei die Abwrackprämie. Der staatliche Konsum stieg sogar um 2,7%.

Hatte die Krise auch Auswirkungen auf die Einkommen der Arbeitnehmer?

Das ist in der Tat so. Erstmals seit der Wiedervereinigung sind 2009 die monatlichen Bruttoentgelte je Arbeitnehmer wieder gesunken, und zwar um 0,4%. Noch stärker gingen die durchschnittlichen Nettolöhne zurück, nämlich um 0,9%. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle aber positiv, dass die Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt lediglich um 0,4% gestiegen sind.

Der Wirtschaftseinbruch und die Konjunkturpakete dürften ja sicherlich zu einer Erhöhung des staatlichen Finanzierungsdefizits geführt haben.

Ja - Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen wiesen 2009 zusammen ein Finanzierungsdefizit von über 77 Milliarden Euro aus. Gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt bedeutet das eine Defizitquote von 3,2%. Deutschland hat damit erstmals seit vier Jahren den Referenzwert des Maastricht-Vertrages von 3% überschritten.

Und wie schätzen Sie den wirtschaftlichen Einbruch in Deutschland im internationalen Vergleich ein?

Deutschland - als exportabhängige Nation - war mit einem Minus von 5% im Jahre 2009 besonders stark von der Wirtschaftskrise betroffen. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich eher hinten. Für die 27 Mitgliedstaaten der EU hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 4,1% prognostiziert - für die USA immerhin einen Wert von 2,5%.

Herr Egeler, wie beurteilen Sie zusammenfassend die Entwicklung 2009?

Lassen Sie mich drei Punkte herausstreichen: Erstens: Bemerkenswert ist trotz der Krise die bisherige Stabilität unseres Arbeitsmarktes. Die Zahl der Erwerbstätigen hat 2009 nur geringfügig nachgelassen. Zweitens haben sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben des Staates dazu geführt, dass die Defizitquote erstmals seit vier Jahren den Referenzwert von 3% wieder überstiegen hat. Und drittens: Deutschland hat 2009 die mit Abstand stärkste Rezession seiner Nachkriegszeit erlebt. Aber wir stellen auch fest: In der zweiten Jahreshälfte hat sich die wirtschaftliche Lage auf neuen, niedrigeren Niveau stabilisiert.

Quelle: Statistisches Bundesamt

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