Verhärtete Fronten beim Ampel-Streit über Bürgergeld-Absenkung
Archivmeldung vom 19.08.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Kontroverse um das Bürgergeld droht zur Dauerbelastung für die Ampel-Bundesregierung zu werden. Das berichtet die "Welt".
Nachdem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Wochenende gesagt
hatte, dass eine Kürzung verfassungsrechtlich möglich sei, indem man das
entsprechende Gesetz ändere, kam deutlicher Widerspruch aus der
Grünen-Bundestagsfraktion. Deren Fraktionsvize Andreas Audretsch verwies
in der "Welt" darauf, dass viele arbeitende Familien in Deutschland
aufstockend Bürgergeld bezögen, "weil das Geld mit den Kindern nicht
reicht". Sie fragten sich im Sommer, ob sie ihren Kindern zum Schulstart
einen Ranzen, Stifte und Hefte kaufen könnten. "Diese Familien planen
mit dem Geld. Wir werden sie nicht der Willkür politischer Debatten der
FDP aussetzen. Familien in Deutschland können sich auf uns verlassen",
sagte Audretsch.
Der sozial- und arbeitsmarktpolitische Sprecher
der FDP-Fraktion, Pascal Kober, flankierte den Vorstoß des
Justizministers und erläuterte, dass bei der jährlichen Berechnung der
Regelsätze die Inflation "vorausschauend berechnet" werde. "Wenn nun der
Fall eintritt, dass die vorausberechneten Preissteigerungen geringer
ausfallen als prognostiziert, liegt der Bürgergeld-Regelsatz höher als
das eigentlich vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte
Existenzminimum." Beispielsweise sei die angenommene Preissteigerung für
Strom um 20 Prozentpunkte höher gewesen als die tatsächlich
eingetretene.
Kober ist deshalb der Auffassung, dass der
Bestandschutz nach Paragraf 28 a, Absatz 5 im Sozialgesetzbuch XII,
aufgegeben werden müsse - und zwar noch in der laufenden
Legislaturperiode bis zum Herbst 2025. Es habe von Teilen der Grünen und
der SPD immer wieder Versuche gegeben, "das Bürgergeld zum
bedingungslosen Grundeinkommen werden zu lassen durch Abbau von
Mitwirkungspflichten und Sanktionen" und den Regelsatz vom
Existenzminimum zu entkoppeln. Doch die FDP habe "bisher immer dafür
gesorgt, dass das Bürgergeld eine Grundsicherung bleibt und Arbeit der
Normalfall für die Existenzgrundlage der Bürger bleibt". Kober forderte,
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) solle "diese Linie mit unterstützen
und sich dem Versuch entgegenstellen, das Bürgergeld zum
bedingungslosen Grundeinkommen werden zu lassen".
Unterstützung
erhält die FDP dafür aus der Opposition. Der sozialpolitische Sprecher
der Unionsfraktion, Stephan Stracke (CSU), kritisierte, "dass die hohe
Inflation und der von der Ampel gewählte gesetzliche
Anpassungsmechanismus zu unverhältnismäßigen Anpassungen beim Bürgergeld
geführt haben und damit die Akzeptanz in der Bevölkerung gefährden".
Künftig müssten "solche Extreme bei der Erhöhung des Bürgergeldes"
verhindert werden. Der Ampel-Streit über die Höhe des Regelsatzes sei
jedenfalls "ein weiterer Beleg dafür, dass diese Regierung inhaltlich
nichts mehr zusammenhält".
Wesentlich entscheidender als die Höhe
ist nach Ansicht von Stracke, dass das Bürgergeld "falsch konstruiert"
worden sei. "Darin steckt viel zu viel bedingungsloses Grundeinkommen.
Die Ampel müsste Arbeitsanreize erhöhen, Sanktionen dort schneller und
einfacher ermöglichen, wo sich Menschen einer beruflichen Perspektive
verweigern." Dafür gewähre das Bundesverfassungsgericht "genug
Spielraum". Die Ampel müsste "diesen Spielraum nur nutzen, anstatt ihn
zu verweigern".
Quelle: dts Nachrichtenagentur