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Corona-Krise: Mediziner kritisieren Vorgehen der Politik zu Lasten der Kinder

Archivmeldung vom 05.08.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.08.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Ärzte sind sauer über die Politiker und ihren Bürokratiewahnsinn (Symbolbild)
Ärzte sind sauer über die Politiker und ihren Bürokratiewahnsinn (Symbolbild)

Bild: pathdoc - fotalia.com / Impfkritk.de

Schule im Regelbetrieb, aber mit festen Gruppen - das ist die Empfehlung der Mehrheit der Kinderärzte in Deutschland. Rund ein Drittel der Mediziner spricht sich sogar für einen Schulbetrieb ohne Einschränkungen aus. Dies sind Ergebnisse der Studie "Homeschooling und Gesundheit 2020" der pronova BKK, für die 150 niedergelassene Kinderärzte und Kinderärztinnen befragt wurden.

Die Rückkehr zum Schulalltag ohne Einschränkungen halten für Grundschulen 30 Prozent, für Mittelstufen 27 Prozent und für Oberstufen 36 Prozent der befragten Mediziner für den richtigen Weg. Normalen Betrieb, aber in festen Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Pausenzeiten und dem Verzicht auf Sport und Musik empfehlen 53 Prozent der Ärzte für Grundschulen, 57 Prozent für Mittelstufen und 51 Prozent für Oberstufen.

Für Unterricht in Kleingruppen an nur einzelnen Tagen pro Woche, wie er in vielen Bundesländern noch bis zu den Sommerferien praktiziert wurde, sprechen sich derzeit lediglich knapp ein Sechstel der Kinderärztinnen und -ärzte aus. Zu einem Regelbetrieb ohne jegliche Einschränkungen raten derzeit besonders Mediziner, die in sozial schwächeren Gebieten praktizieren. In diesem Umfeld sind gut 40 Prozent für eine Rückkehr zum normalen Schulalltag.

Kindeswohl aus den Augen verloren

Die Ärztinnen und Ärzte üben deutliche Kritik am staatlichen Vorgehen während der Corona-Krise im vergangenen Schuljahr. Die Politik habe das Kindeswohl bei der Festlegung der Einschränkungen und auch bei den Beschlüssen zur Lockerung zu wenig beachtet, meinen 78 Prozent der befragten Ärzte. 71 Prozent teilen die Einschätzung, dass derart starke Einschränkungen für Kinder nicht noch einmal verhängt werden können. Mit dem Infektionsrisiko durch Kinder müsse eine Gesellschaft leben.

Die Ärzte verweisen auf die negativen Folgen, die Schul- und Kitaschließungen sowie Kontaktbeschränkungen für die gesunde Entwicklung junger Menschen hätten. Das ließe sich in den Praxen beobachten: Eine Mehrheit der Pädiaterinnen und Pädiater spricht von einer Zunahme seelischer Leiden bei jungen Patienten infolge der Corona-Einschränkungen. 68 Prozent rechnen mit Corona-bedingten Traumata bei Heranwachsenden. "Kindern und Jugendlichen wurde ihr gewohnter Alltag genommen, vertraute Strukturen brachen weg. Für viele eine einschneidende Erfahrung, die sie noch lange beschäftigen wird", sagt Gerd Herold, Beratungsarzt bei der pronova BKK. "Bei der Entscheidung über Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie dürfen auch die zum Teil gravierenden gesundheitlichen Folgen für Kinder nicht übersehen werden."

Schulschließungen bei zweiter Welle keine Option

Bei einer erneuten Infektionswelle wäre die große Mehrheit der Mediziner gegen abermalige Schul- und Kitaschließungen. Ein Drittel spricht sich sogar gänzlich gegen Einschränkungen von Grundschulen und Kitas aus, gut die Hälfte würde den Betrieb unter Auflagen wie Hygienemaßnahmen weiterlaufen lassen. Der Unterricht an weiterführenden Schulen sollte aus Sicht von 28 Prozent der Ärztinnen und Ärzte ohne Eingriffe weiterlaufen, 67 Prozent würden bestimmte Auflagen empfehlen.

Gut 40 Prozent der Pädiater wenden sich darüber hinaus gegen die Schließung von Spielplätzen wie auch von Beratungsstellen und Zentren für Familien. Jeder zweite Kinderarzt möchte den Nachwuchs künftig von Einschränkungen zur Pandemie-Bekämpfung möglichst ausgenommen sehen. "Kinder haben ein Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe - auch in Pandemie-Zeiten", sagt Herold von der pronova BKK. "Ziel muss ein gangbarer Kompromiss sein, der den Infektionsschutz mit dem Recht der Kinder auf Bildung vereint."

Sympathien für digitale Unterrichtsformen

Dabei sind die Kinderärzte nicht grundsätzlich gegen Fernunterricht, sondern stehen virtuellen Angeboten durchaus offen gegenüber: 82 Prozent halten die Nutzung digitaler Methoden für eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Unterricht. 72 Prozent heben hervor, dass Kinder dadurch einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien und ihren Inhalten lernen und zudem gut auf das spätere Berufsleben vorbereitet werden. Allerdings sieht knapp die Hälfte den Einsatz digitaler Konzepte an Grundschulen skeptisch und befürchtet, dass dadurch die kognitive und motorische Entwicklung eher gebremst würde.

Zur Studie

Die Kinderärztebefragung "Homeschooling und Gesundheit 2020" wurde im Juni und Juli 2020 im Auftrag der pronova BKK im Rahmen einer Online-Befragung durchgeführt. Bundesweit nahmen 150 niedergelassene Pädiater daran teil.

Quelle: pronova BKK (ots)


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